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„Vorhandene Räume neu denken und den Blick für Querverbindungen schärfen“

Claudia Keuchel entwickelte für die Stadt Gelsenkirchen preisgekrönte Konzepte für kulturelle Bildung. Im Interview gibt sie Tipps für erfolgreiche Netzwerkarbeit – und verrät, warum ein neuer Blick auf Räume für ländliche und städtische Kommunen gleichermaßen wichtig ist.

Porträtfoto von Claudia Keuchel
Claudia Keuchel, Leiterin der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW © Privat

Frau Keuchel, Sie waren viele Jahre Fachreferentin für kulturelle Bildung der Stadt Gelsenkirchen. Dabei haben Sie kulturelle Bildung als strategische Querschnittsaufgabe verankert. Was genau bedeutet das?

Viele verstehen Bildung in der Regel zuerst als Schulbildung und verbinden sie eng mit dem Erwerben von Abschlüssen. Ein Schwerpunkt liegt dabei meist auf den MINT-Fächern, also Mathematik, Naturwissenschaften, Technik und Informatik. Kulturelle Bildung gilt demgegenüber häufig als nachranging, obwohl sie viele positive Effekte hat: So stimuliert etwa das Erlernen eines Instruments Gehirnregionen und aktiviert kognitive Fähigkeiten. Neurologisch betrachtet ist also der Musikunterricht genauso wichtig wie Mathematik.

Wenn Kommunen die kulturelle Bildung daher fördern wollen, haben sie bei der Gestaltung des Schulprogramms nur wenig Spielraum, denn das ist Aufgabe der Länder. Um kulturelle Bildung stärker im kommunalen Gesamtkonzept der Stadt Gelsenkirchen zu verankern, knüpften wir zunächst ein Netzwerk aus Akteuren wie Jugend- und Stadtteilzentren oder Kultureinrichtungen, in denen kulturelle Bildung sowieso schon regelmäßig stattfindet. Mithilfe dieses Netzwerks ist es gelungen, kulturelle Bildung später auch im Kulturentwicklungsplan der Stadt zu implementieren. Die strategische Bedeutung ist klar: Von einem starken kulturellen Bildungsangebot profitieren Kinder und Jugendliche – nicht zuletzt helfen ihnen die in der Kulturbildung erlernten Fähigkeiten auch dabei, die Schule besser zu meistern.

Ihr Konzept wurde mehrfach mit dem Preis des NRW-Landeswettbewerbs „Kommunale Gesamtkonzepte für kulturelle Bildung“ ausgezeichnet. Was macht die kommunalen Netzwerke in Gelsenkirchen erfolgreich?

Es gibt einen aktiven Arbeitskreis wichtiger Institutionen, der sich regelmäßig trifft. Dazu zählen Mitglieder aus Kulturreferat, Volkshochschule, Musikschule, Kunstmuseum, Jugendförderung, Institut für Stadtgeschichte und kultureller Öffentlichkeitsarbeit. Der Arbeitskreis hat sich beispielweise am Weltkindertag beteiligt und pflegt Kontakte zur Freien Szene. Im Rahmen des „talentCAMPus“ bildete sich spontan ein Bündnis aus Volkshochschule, Kulturreferat und einem freien Theater. Die Förderung des "talentCAMPus” durch „Kultur macht stark“ ist ein toller Erfolg – und sendet über den Projektkontext hinaus ein Signal für die Bedeutung kultureller Bildung in den Kommunen.

Was sind darüber hinaus Erfolgsfaktoren für kulturelle Bildung in den Kommunen?

Kulturelle Bildung ist keine Insel. Es gibt sie nicht ohne aktive Kunst und Kultur, nicht ohne Ateliers, Theater und Museen sowie Personen, die sich für kulturelle Bildung einsetzen. Die Stadt Gelsenkirchen bietet daher Fortbildungen für Künstlerinnen und Künstler an, die als Akteure in der kulturellen Bildung tätig sind. Themen dieser Fortbildungen sind zum Beispiel der Umgang mit heterogenen Gruppen und zukünftig auch Schutzkonzepte für Kinder und Jugendliche in Kulturorten.

Wie unterscheidet sich ein erfolgreiches Konzept für kulturelle Bildung in einer Stadt wie Gelsenkirchen von einem für ländliche Räume? Wo bestehen Gemeinsamkeiten?

In ländlichen Regionen spielt das Mobilitätsproblem eine viel größere Rolle als in der Stadt. Geeignete Räume zu finden, ist hingegen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land wichtig. Im Ruhrgebiet wurden nicht mehr benötigte Industriebrachen erfolgreich für die Kultur erschlossen. Das könnte als Vorbild für ländliche Räume dienen. Natürlich gibt es dort meist keine Orte wie Zeche Zollverein in Essen oder die Lindenbrauerei in Unna. Aber vielleicht ein altes Feuerwehrgerätehaus oder eine Schule, die nachmittags frei ist für kulturelle Bildungsangebote. Wichtig ist die Bereitschaft, vorhandene Räume neu zu denken und den Blick für Querverbindungen zu schärfen – denn die gibt es in jeder Kommune.

Ihre neue Aufgabe ist die Leitung der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW. Was nehmen Sie sich dabei vor?

Ich treffe dort auf ein gut aufgestelltes Team und ein Programm, das an vieles anknüpft, das mir wichtig ist: Ich möchte weiterhin Verbindungen von kulturellen Bildungsangeboten zu Kitas und Schulen ausbauen sowie qualitativ hochwertige kulturelle Bildung in kommunalen Gesamtkonzepten und im schulischen Ganztag verankern. Ein Schwerpunktthema 2025 wird die Rolle von kultureller Bildung für die Demokratiebildung sein. Regional blickt die Arbeitsstelle dabei auch neu auf Südwestfalen. Wir möchten künftig gezielt kleinere Städte dabei unterstützen, Förderprogramme wie „Kultur macht stark“ erfolgreich zu nutzen.

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Claudia Keuchel ist Leiterin der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung NRW in Remscheid. Zuvor war sie Fachreferentin für kulturelle Bildung der Stadt Gelsenkirchen sowie im kommunalen Kulturmanagement und in der Kulturförderung der Stadt Unna tätig.

Entdecken Sie auch „Kultur macht stark“ in Kommunen mit Claudia Keuchels Vortrag „Kommunale Netzwerke für die Zukunft“ von November 2024.