„Überregionale Zusammenarbeit hilft Bündnissen enorm“
Große Distanzen und ein geringes Angebot. Das sind die Herausforderungen für kulturelle Bildung im ländlichen Raum. Was aber sind mögliche Lösungen? Kristin König, Projektkoordinatorin der „Kultur macht stark“-Servicestelle in Schleswig-Holstein, spricht über ihre Empfehlungen.
Frau König, Sie beraten als Projektkoordinatorin der „Kultur macht stark“-Servicestelle in Schleswig-Holstein Kulturschaffende, Kulturpädagoginnen und -pädagogen, Vereine, Verbände und andere Interessierte. In welchen Bereichen sehen Sie besonderen Beratungsbedarf?
Der größte Beratungsbedarf besteht bei den Themen Bündnisse und Zielgruppe. Viele Akteure benötigen meine Hilfe bei der Suche nach geeigneten Bündnispartnern. Mit Blick auf die Zielgruppe – Kinder und Jugendliche, die in benachteiligenden Lebensverhältnissen und Risikolagen aufwachsen – kommt häufig die Frage auf, ob das Aufwachsen in ländlichen Räumen selbst nicht schon als Nachteil gilt. Das ist aber nicht der Fall.
Herausforderungen für kulturelle Bildung in ländlichen Räumen sind die großen Distanzen, ein weniger dichtes Netz im öffentlichen Nahverkehr und eine geringe Dichte an Kultureinrichtungen. Welchen Umgang mit diesen Herausforderungen empfehlen Sie?
In ländlichen Regionen ist der Sozialraum weiter gefasst als in Städten. Deshalb sind in der aktuellen Förderphase bei Anträgen aus ländlichen Regionen auch überregionale Bündnispartner anerkannt. Die Einstufung erfolgt auf Basis der Kategorien des Thünen-Landatlas. In Schleswig-Holstein sind in zehn der insgesamt 15 Kreise bzw. kreisfreien Städte überregionale Bündnispartner möglich. Das ist aber noch nicht allen Akteuren bewusst. Hierzu werde ich weiter in meinen Beratungen informieren und bei Veranstaltungen dafür werben.
Können Sie Beispiele für gelungene Bündnisbildung in ländlichen Regionen nennen?
Ein Beispiel ist der Kreis Nordfriesland, ein sehr ländlicher Kreis mit einer weniger guten sozioökonomischen Lage. Durch geschickte Kooperationen der regionalen Akteure finden hier Projekte in Kulturbereichen wie Digitale Medien, Leseförderung, Film und Theater statt. In der letzten Förderphase fanden dort so landesweit die meisten „Kultur macht stark“-Projekte statt – noch vor den großen Städten wie Kiel oder Lübeck.
Ein weiteres Beispiel für effiziente Bündniskonstellationen ist Krempe – mit knapp 2.400 Ortsansässigen die zweitkleinste Stadt in Schleswig-Holstein. In Krempe geht die Volkshochschule regionale Bündnisse mit der Bücherei, der Stadtjugendpflege, dem örtlichen Familienverband, dem Cheerleading-Verein, dem Sportverein oder der Jugendfeuerwehr ein.
Sie haben schon 2018 digitale Informationsveranstaltungen in der kulturellen Bildung durchgeführt. Die Akzeptanz digitaler Angebote ist durch die Coronapandemie stark gestiegen. Sehen Sie darin Potential nicht nur für die Beratung, sondern auch für die praktische Umsetzung von Projekten, gerade in ländlichen Räumen?
Digitale Beratungsangebote haben sich fest etabliert. Für die Teilnahme an einer Informationsveranstaltung muss in Schleswig-Holstein niemand mehr 150 Kilometer mit dem Auto fahren. Seit einem Jahr sind aber auch Präsenzveranstaltungen wieder möglich. Die Zukunft in diesem Bereich ist hybrid. In den Projekten sind durch die Pandemie Vorbehalte gegenüber digitalen Medien gesunken. Vor Jahren ging es vielen Projektverantwortlichen noch ausdrücklich darum, Kinder vom Bildschirm wegzuholen. Heute denken sie digitale Medien stärker mit. Ich finde es schön, dass kulturelle Bildung so mehr an der Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen andockt.
Besonders junge Familien ziehen aus den Städten aufs Land. Die Pandemie und die wachsenden Möglichkeiten für Homeoffice haben diese Entwicklung beschleunigt. Spüren Sie das auch im Hinblick auf Kulturprojekte?
Ja, das spüre ich sehr deutlich. Zum einen kehren viele aus Schleswig-Holstein stammende Kulturschaffende zurück in ihre Heimat. Die haben zuvor in Großstädten gelebt, entwickeln einen neuen Blick auf den ländlichen Raum und möchten dort Projekte anschieben – besonders im Bereich Tanz, Theater und Medienpädagogik. Zum anderen ziehen auch Menschen, die in Großstädten bereits mit „Kultur macht stark“ in Berührung gekommen sind, verstärkt aufs Land. Meine Aufgabe als Beraterin ist es, diese Akteure mit möglichen Bündnispartnern vor Ort zu verknüpfen.
Die „Kultur macht stark“-Beratungsstellen haben im November 2023 eine digitale Informationsveranstaltung zu Kinderrechten und Partizipation angeboten. Worum ging es da? Wie kann die kulturelle Teilhabe von Kindern gestärkt werden?
Das war eine Veranstaltung aller 16 Beratungsstellen in Deutschland mit über 200 Teilnehmenden. Den Auftakt bildete der fachliche Input des Deutschen Kinderhilfswerks „Das Kinderrecht auf kulturelle Bildung“. Laut Kinderreport des DKHW von 2018 gibt nur jedes fünfte Kind an, sich gut mit Kinderrechten auszukennen. Für uns Erwachsene bedeutet das: Wir sind in der Verantwortung, die Kinder besser über ihre Rechte zu informieren. Der Input des DKHW ist auf dem YouTube-Kanal der Beratungsstellen zu finden. Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es um Best Practice-Beispiele. Besonders beeindruckt hat mich ein Projekt des neuen Programmpartners JFF – Jugend Film Fernsehen e.V. Dort haben Kinder und Jugendliche das Thema Kinderrechte in einem Rapsong inklusive Musikvideo behandelt – ausgehend von der Frage, in welcher Zukunft sie aufwachsen und leben möchten.