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„Jugendliche erleben in der digitalen Welt enorme Selbstwirksamkeit“ – durch Bibliotheken

Bibliotheken bieten Kindern und Jugendlichen einen besonderen, kreativen Zugang zu digitaler kultureller Bildung. Mit dem Voranschreiten der Digitalisierung geht es auch darum, jungen Zielgruppen Informationskompetenzen zu vermitteln. Wie das Bibliotheken und Projekten gelingt, verrät Anika Schmidt.

Frau mittleren Alters steht in die Kamera lächelnd in einem Raum mit Spielzeug im Hintergrund. Sie trägt einen orangenen Blazer, hat blonde Haare mit Pony und eine goldene Brille.
Anika Schmidt © Stadtbibliothek Bremen

Frau Schmidt, Kinder und Jugendliche wachsen heute selbstverständlich mit digitalen Medien auf. Was können Bibliotheken tun, um für diese Zielgruppe attraktiv zu sein? 

Bibliotheken haben den Auftrag der Teilhabe für alle. Darum ist es wichtig, Zugänge zu Medien zu schaffen – im physischen und im virtuellen Raum. Die Bibliothek ist für mich ein Ort des Mitmachens, des Erprobens und der Inspiration, der auch Kinder und Jugendliche aktiv einbezieht. Dazu gehört, sich kritisch mit Technik und Technologien auseinanderzusetzen. Hier sollten wir immer wieder fragen: Welche Infrastruktur haben Kinder und Jugendliche eigentlich zur Verfügung?

Wie wichtig ist also die technische Infrastruktur? 

Bibliotheken bieten einen Raum frei von Eintritt, Konsum und Verzehr, in dem Menschen Zugang zu Technologien haben, die sie sich vielleicht nicht leisten können. Mittlerweile sind sich alle einig, dass Tablets so etwas wie eine Grundausstattung sind. Gleichzeitig arbeiten viele Bibliotheken schon mit Robotern oder sind im Bereich Coding aktiv. Wenn ich diese technische Infrastruktur vor Ort habe, ist es natürlich optimal. Denn ich kann sie auch außerhalb von Projekten nutzen und sie meinen Zielgruppen zur Verfügung stellen.  

Wie lassen sich digitale Formate nutzen, um Kinder und Jugendliche für kulturelle Bildung zu gewinnen? 

Jugendliche erleben in der digitalen Welt eine enorme Selbstwirksamkeit. Bibliotheken sollten nicht nur die technischen Kompetenzen, sondern auch kreative Inhalte und soziale Prozesse fördern, Sprache und logisches Denken. Das steht viel mehr im Vordergrund. Kinder und Jugendliche wachsen mit einer hohen Selbstverständlichkeit gegenüber technischen Geräten und Medien auf. Die Frage nach der Bedienung einer Oberfläche stellt sich da eher selten. Es geht eher um Themen wie: „Was kann das Storyboard für meinen Trickfilm sein?“, „Was will ich eigentlich erzählen?“, „Wie kann ich eine Geschichte mit einem roten Faden entwickeln?“ Diese Kompetenzen können wir heute sehr gut mit digitalen Mitteln schulen.

Stichwort Medienkompetenz: Welche Rolle spielen Bibliotheken, um Kinder und Jugendliche zu stärken? 

Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der die Bibliotheken auch etwas beitragen können. Was sie unter anderem auszeichnet: Sie sind Experten in der Bewertung von Quellen. Diese Rolle müssen sie weiter stärken. Dazu ist es wichtig, dass sie mit Bildungseinrichtungen sowie mit Expertinnen und Experten für Medienkompetenz zusammenarbeiten. Für mich gehört zu guter bibliothekarischer Arbeit, sich ein gutes Netzwerk aufzubauen. Wir kooperieren zum Beispiel mit der Bremer Landesmedienanstalt, die eine starke Expertise im Bereich Medienkompetenz und Medienkritik hat. 

Frau Schmidt, können Sie zusammenfassen, warum genau also Bibliotheken in unsere digitalisierte Welt passen?  

Da sehe ich drei wichtige Aspekte. Erstens: Bibliotheken spielen eine Schlüsselrolle in der Vermittlung von Medienkompetenz und sind Partner in der Bewältigung der digitalen Herausforderungen. Mit der zunehmenden Informationsflut brauchen wir die Kompetenz, mit diesen Informationen umzugehen. Zweitens: Je multimedialer unsere Welt wird, desto mehr geht es darum, Zugänge zu dieser Medialität zu schaffen. Das heißt, die Aufgabe von Bibliotheken ist zwangsläufig, ihr Angebot nicht mehr nur im physischen Bereich, sondern auch im virtuellen, im digitalen Bereich fortlaufend weiterzuentwickeln. Der dritte Aspekt zahlt auf die Sehnsucht nach Gemeinschaft und nach gemeinschaftlichen Aufenthaltsorten ein, an denen wir Menschen wieder im realen Raum treffen können. Da kommt die Bedeutung der Bibliothek als dritter Ort zur Geltung, als eine Art Wohnzimmer der Stadt. 

Was genau bedeutet „Wohnzimmer der Stadt“? 

Es bedeutet für Bibliotheken, einen Ort der Vielfalt und der sozialen Interaktion zu schaffen. In Bezug auf digitale Räume habe ich die Rolle virtueller Treffpunkte für Jugendliche betont. In Bremen haben wir Jugendliche, die sich virtuell treffen und gemeinsam über neue Medien für den Jugendbereich der Stadtbibliothek entscheiden. Das zeigt, wie digitale Formate aktiv für Partizipation genutzt werden können. Diese Angebote auszubauen, ist das Ziel.

Wie sieht für Sie die Bibliothek der Zukunft aus? 

Die Bibliothek der Zukunft ist eine Einrichtung, die sich auf den Weg macht. Sie will Menschen dort erreichen, wo sie sind. Physisch oder auch virtuell, je nachdem, wie es für die jeweilige Zielgruppe passt. Das heißt auch, dass Bibliotheken auf alle Menschen zugehen und ihnen mit großer Offenheit begegnen. Die Bibliothek der Zukunft kann uns alle befähigen, den Raum selbst zu erobern und selbstbestimmt Angebote zu machen. Ich wünsche mir, dass unsere Kundinnen und Kunden noch mehr Einfluss darauf nehmen können, was in der Bibliothek passiert, und dass soziale Interaktionen nach ihren Wünschen stattfinden können. Das ist ein spannender Punkt, bei dem wir in Deutschland allerdings noch am Anfang stehen. Meiner Meinung nach können wir so die Bibliothekslandschaft enorm bereichern.

Info

Anika Schmidt leitete von 2016-2022 die Stadtbücherei & das Medienpädagogische Zentrum Delmenhorst und war danach Leiterin des Stadtbibliothek Bremerhaven. Seit Anfang 2024 ist sie stellvertretende Direktorin der Stadtbibliothek Bremen. Für „Kultur macht stark“ hat sie bereits verschiedene Projekte umgesetzt und war Inputgeberin zum Thema digitale kulturelle Bildung auf der Programmkonferenz 2023 „Kultur macht stark: Gemeinsam für mehr Bildungschancen“.