Filmstars vor und hinter der Kamera
15 Kinder und Jugendliche haben im inklusiven Projekt „Die schlichte Wahrheit über die Räuber vom Mordkuhlenberg“ nicht nur etwas über eine lokale Sage gelernt, sondern auch viel über sich selbst: Im Team schafft man mehr!
Noch schöner als der Film war am Ende des Projekts das gute Gefühl, zusammengewachsen zu sein, gemeinsam etwas Besonderes geschaffen zu haben und der Stolz darauf, dass alle ihre Talente einsetzen konnten. 15 Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 14 Jahren waren beim Kurzfilmprojekt „Die schlichte Wahrheit über die Räuber vom Mordkuhlenberg“ aktiv mit dabei. Um das Projekt umzusetzen, haben sich der „Verein zur Förderung der Medienpädagogik“, die heilpädagogische Einrichtung „Heimstatt-Clemens-August“ für Menschen geistiger Behinderung und das Kulturzentrum „Kulturbahnhof Neuenkirchen-Vörden e.V.“ zusammengeschlossen. Gefördert wurde es vom Bundesverband Soziokultur e.V. („Jugend ins Zentrum“).
Für den Kurzfilm „Die schlichte Wahrheit über die Räuber vom Mordkuhlenberg“ ließ sich die Gruppe von einer lokalen Sage inspirieren. „Die Teilnehmenden, von denen vielen in einer sozial schwierigen Situation leben, haben die Geschichte und die musikalische Begleitung entwickelt, Regie geführt, die Kamera bedient, Special-Effekts eingebaut und natürlich vor der Kamera gestanden“, beschreibt Hermann Böhm vom „Verein zur Förderung der Medienpädagogik“ in Neuenkirchen-Förden. Der Kunsttherapeut und Filmemacher setzt vor allem im ländlichen Raum Niedersachsens interkulturelle und inklusive Medienprojekte um. In diesem Projekt lag die Herausforderung darin, dass Kinder und Jugendliche sowie ihre Altersgenossen mit und ohne geistige Einschränkung als Gruppe zusammenwachsen sollten. „Zwar kennt man sich hier in den Dörfern Neuenkirchen und Vörden vom Sehen. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Heimstatt Clemens August sind sehr präsent. Man sieht sie spielen, spazieren gehen oder einkaufen. Viele der Kinder sind auch in den Sportvereinen aktiv. Aber wirkliche Freundschaften zu Kindern und Jugendlichen außerhalb der Einrichtung sind eher selten“, schildert Hermann Böhm. „Da gibt es einfach große Unsicherheit im Umgang miteinander.“
Am Ende unverkrampft an kreative Aufgaben gegangen
In drei einleitenden Schnupper-Workshops ist es gelungen, diese Berührungsängste zu überwinden. „Bei ersten spielerischen Filmübungen und beim Ausprobieren des technischen Equipments merkten alle Teilnehmenden, dass alle irgendwie nervös waren und dass man bei der Fertigstellung des Films auf andere angewiesen ist“, so Hermann Böhm. Schließlich war ein Punkt erreicht, an dem es für die Gruppe nicht mehr wichtig war, ob jemand eine Behinderung hatte, alle waren ganz selbstverständlich aufeinander eingestellt. Ohne dass man es ihnen sagen musste, verlangsamten etwa die nicht eingeschränkten Teilnehmenden ihr Sprachtempo. „Von da an bekam das Ganze auch auf künstlerischer Ebene eine eigene Dynamik, alle sind unverkrampft an die kreativen Aufgaben herangegangen“, sagt Kunsttherapeut Hermann Böhm.
Im Laufe des Projekts konnten alle ausprobieren, wo sie am liebsten eingesetzt werden wollten – im Regiestuhl, vor und hinter der Kamera oder etwa in der Maske oder Requisite. Die Gruppe traf sich manchmal auf dem Gelände der heilpädagogischen Einrichtung, drehte viel im Freien und nutze schließlich das Filmstudio „Creaclic“ von Hermann Böhm. „Alle 15 Teilnehmenden sind stabil dabeigeblieben, das hat uns sehr gefreut“, schildert er. Sein pädagogischer Ansatz, möglichst wenig Vorgaben zu machen, hat sich bewährt: „Mir war wichtig, die Kinder zu freien Assoziationen zu ermutigen. Der gemeinsame kreative Prozess brachte die Kinder spürbar einander näher. Das hat auch non-verbal funktioniert, wenn Teilnehmende, die sich aufgrund ihrer Einschränkung nicht artikulieren und auch nicht schreiben konnten, zum Stift griffen und ihre Ideen aufmalten.“
Gerade die wechselnden Aufgaben, inklusive der Verantwortung, die es hierbei zu übernehmen galt, hatten einen deutlich sichtbaren pädagogischen Effekt. „Viele mussten lernen, dass es wichtig ist, sich manchmal auch zurückzunehmen“, beschreibt Hermann Böhm. „Wenn etwa jemand das Mikro halten soll, kann er nicht einfach vorpreschen und etwas ganz anderes machen, nur weil er im Moment eine neue Idee hat.“
Getragen von der Dorfgemeinschaft
Für die Filmgruppe war es auch ein bestärkendes Erlebnis, für das Projekt Rückhalt aus der Dorfgemeinschaft zu erhalten: „Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder haben uns für den Dreh Zelte ausgeliehen, aus denen wir dann das Räuberlager gebastelt haben. Die Feuerwehr hat bei den Feuerszenen zwischen uns und den Bauern vermittelt, denen die Felder gehörten“, schildert Hermann Böhm, der zudem auf das enge Zusammenspiel der Bündnispartner verweist. Es waren immer Erzieherinnen und Erzieher aus der Heimstatt-Clemens-August involviert, zudem hat die Einrichtung auch einen Großteil der organisatorischen Aufgaben übernommen. Bei den Proben waren oftmals ein oder zwei Erziehungspersonen anwesend. Selbst Hermann Böhm Vater kam im Film als Räuberhauptmann zum Einsatz, der Großvater eines Kindes gab einen weiteren Räuber.
300 Gäste jubelten bei der Premiere im „Kulturbahnhof“. Nicht nur der aufgeregte Filmnachwuchs war stolz darauf, die Kniffe und Fähigkeiten des Filmhandwerks zu präsentieren. Auch den Bündnispartnern ging das Herz auf: „Kinder und Jugendliche halfen etwa den körperlich Eingeschränkten die Treppe auf die Bühne hoch oder fieberten sichtbar mit, dass etwa ein Kind mit Spracheinschränkungen seinen Satz zu Ende sagte. Allein dafür hat sich das Projekt gelohnt“, findet Hermann Böhm.