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Stärker als das Vorurteil

In jungen Jahren Ausgrenzung zu erleben und darüber nicht zu reden, kann sehr prägend sein. In einem Neusser „Kultur macht stark“-Projekt tauschten sich Jugendliche deshalb über solche Erfahrungen aus. Dabei kam ein Buch heraus, das nun Schule machen will. 

Mann mit Tablet in der Hand
Ein ehrenamtlicher Betreuer beim letzten Check des Covers zum Buch „Gemeinsam stark: Jugendstories über Struggles und Hoffnung“ © Interkulturelle Projekthelden

Wer Gedanken und Gefühle zu Papier bringt, kann damit nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Menschen helfen. Für das Buch „Gemeinsam stark: Jugendstories über Struggles und Hoffnung“ schrieben Jugendliche aus Neuss daher auf, wie sie Ausgrenzung, Mobbing und Rassismus erlebten und es schafften, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Es entstand innerhalb des gleichnamigen „Kultur macht stark“-Projekts, für das die Interkulturellen Projekthelden e. V. mit dem Jugendzentrum InKult und der Gesamtschule Norf zusammenarbeiteten. 

Zeichnung eines weinenden Kindes, auf das viele Finger zeigen.
Wie sich Ausgrenzung anfühlt, veranschaulichten die Jugendlichen auch über Aquarellzeichnungen, für die die Gesamtschule Neuss die Materialien stellte. © Interkulturelle Projekthelden

Reden hilft

„Die Vorurteile in unserer Gesellschaft werden immer stärker, es wird mehr diskriminiert und immer mehr Freundschaften zerbrechen daran“, beobachtet Umut Ali Öksüz, Vorstandsvorsitzender von Interkulturelle Projekthelden e. V. und Leiter des „Kultur macht stark“-Projekts. Öksüz, der sich schon seit Langem mit Extremismusforschung beschäftigt, widmete sich im Buchprojekt gemeinsam mit den Bündnispartnern vor allem einer Frage: Wie schaffen es junge Menschen, sich trotz solcher Erfahrungen nicht zu verstecken, nicht in einen Opfermodus zu kommen und sich nicht zu radikalisieren? 30 interessierte Jugendliche für die Wochenend- und Ferienworkshops zum Buchprojekt waren schnell gefunden, mehr als die Hälfte noch neu im Jugendzentrum. Ein halbes Jahr lang trafen sich die Neusser Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren im InKult und erarbeiteten die Geschichten und Zeichnungen für das Buch. 

Offenheit statt Coolness

Bei den ersten Tagesworkshops stand die Recherche zum Thema Vorurteile und Rassismus im Vordergrund. Danach tauschten die Teilnehmenden persönliche Erfahrungen miteinander aus, wobei jede und jeder seine Stärken einbrachte: Einige wollten gern ihre Geschichte erzählen, aber nicht immer auch selbst aufschreiben. Andere liebten vor allem das Schreiben. Und wieder andere brachten ihre Geschichten visuell zu Papier, indem sie Aquarellzeichnungen anfertigten. „Oft denkt man ja, dass die ‚Coolen‘ ihre Schwächen eher verstecken. Es hat mich daher sehr positiv überrascht, wie offen die Jugendlichen sich über ihre Erfahrungen mit Vorurteilen, Mobbing oder Scham unterhielten“, berichtet Öksüz. Diese Offenheit sorgte dafür, dass viele aus der Gruppe sich ebenfalls öffneten und von ähnlichen Erfahrungen berichteten. „Das hat mir Hoffnung gemacht, dass Jugendliche sich in sicheren Räumen öffnen können und mich bestärkt, dass wir das Richtige tun“, sagt Öksüz. 

Austausch mit Eltern gestärkt

Zwei Hauptbetreuende und drei ehrenamtliche Betreuende unterstützten die Gruppen mit kleinen Inputs, halfen bei digitalen Fragen, zeigten wichtige Recherche-Tools, um nicht auf Fake-News hereinzufallen, und übersetzten bei Verständnisproblemen manchmal auch in eine andere Sprache. Sie standen außerdem einfühlsam zur Seite, wenn es darum ging, schwierige Erfahrungen gut in Worte zu fassen. Heraus kam ein insgesamt 78-seitiges Buch mit 16 liebevoll illustrierten Geschichten, auf das die mitwirkenden Jugendlichen heute sehr stolz sind. „Auch die Betreuenden sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis und die Eltern der Teilnehmenden berichten, dass viele Jugendliche nun auch zu Hause viel offener über Themen wie Diskriminierung sprechen und ihre Eltern nach eigenen Erfahrungen fragen“, weiß Öksüz. So stärkt das Projekt letztlich auch die gerade im Jugendalter oft eher schwierige Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern. 

Jugend in Konzeptphase einbeziehen

Jugendlicher liest am Tablet eine Geschichte aus dem Buch.
Erzählen, Texten oder Gestalten? Die Teilnehmenden wählten selbst aus, welche Aufgaben sie beim Erstellen des Buchs übernahmen. © Interkulturelle Projekthelden

Was war wichtig für das Gelingen des Projekts? Öksüz empfiehlt für Vorhaben mit ähnlichem Fokus: „Suchen sie sich gute Netzwerkpartner, um Ressourcen sinnvoll aufzuteilen. Außerdem hat es sehr geholfen, Jugendliche in die Jugendarbeit zu integrieren – und zwar am besten schon in der anfänglichen Konzeptentwicklung. Von ihnen können wir viel mehr lernen als von jedem anderen in der Jugendarbeit.“ Um junge Menschen für solch ein Ehrenamt beispielsweise im Jugendzentrum zu motivieren, könne es seiner Erfahrung nach oft helfen, Teilnahmebestätigungen auszustellen, die diese dann zum Beispiel für Bewerbungen bei künftigen Arbeitgebenden nutzen.

Ein Buch macht Schule 

Mit der Abschlusspräsentation im Jugendzentrum endete das Buchprojekt nicht: Die Internationalen Projekthelden sicherten sich die Unterstützung der „Kinderstiftung Lesen bildet“, um  weitere Exemplare des Buchs drucken zu lassen. Denn sie wollen als nächstes mehrere Lesungen von Jugendlichen mit anschließenden Diskussionen organisieren und das Buch an alle Schulen im Rhein-Kreis Neuss  und darüber hinaus bundesweit an Partner der internationalen Projekthelden verschicken. „Wir wünschen uns, dass möglichst viele Schulen das Buch bei Projekttagen oder im Unterricht integrieren und so Ausgrenzung und Rassismus aktiv entgegenwirken“, erklärt Öksüz. 

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„Gemeinsam stark: Jugendstories über Struggles und Hoffnung“ ist ein Projekt der drei „Kultur macht stark“-Bündnispartner Interkulturelle Projekthelden e. V., Jugendzentrum InKult und Gesamtschule Norf. Programmpartner ist der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen (NeMo) e.V. Das Buch erscheint voraussichtlich Anfang April 2025 in gedruckter Version und als PDF auf der Website der Internationalen Projekthelden. Wer ein gedrucktes Exemplar des Buchs für eigene Jugendprojekte bestellen möchte, kann dies über folgende Emailadresse machen: heldennetzwerk@i-projekthelden.de