Lesen lieben lernen – rund 400 „Leseclubs“ fördern bundesweit den Spaß am Lesen
Leseclubs machen Lust auf Lesen in der Gemeinschaft – und das in ganz Deutschland. Sebastian Niesen von der Stiftung Lesen schildert im Interview, was Kinder und Jugendliche dort erwartet und wie sich Geschichten aus Büchern weitererzählen lassen.
Herr Niesen, was genau ist ein „Leseclub“?
Leseclubs entstehen im Rahmen von „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ und sind ein freizeitorientiertes Angebot für Kinder, die hier vor allem den Spaß am Lesen entdecken können. Dieses Angebot richtet sich insbesondere an Kinder aus „lesefernen“ Haushalten. Leseclubs sind immer zugangsoffen, freiwillig, außerunterrichtlich und kostenlos. Bei den Treffen geht es aber natürlich nicht nur ums Lesen; eine Koordinatorin des Leseclubs im Stadion Dresden fasst es so zusammen: „Durch die langfristige Arbeit mit den Kindern sind Veränderungen hinsichtlich des sozialen Miteinanders, gegenseitige Rücksichtnahme und auch eine Verbesserung des respektvollen Umgangs untereinander zu beobachten.
Wer ist ihre Zielgruppe?
Meist kommen Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren in die Leseclubs, die bisher kaum oder wenig Berührung mit dem Lesen haben. Unser Konzept zielt dabei nicht auf die Lesekompetenz ab, sondern auf die Lesemotivation. Wir wollen Spaß und Freude vermitteln, damit Bücher die Teilnehmenden ein Leben lang begleiten. Wir möchten Hemmschwellen ab- und Motivation aufbauen. Die reine Lesekompetenz sehen wir als Aufgabe der Schulen.
In welchen Einrichtungen oder Räumlichkeiten sind die Leseclubs zu finden?
Die Einrichtungen, die die Leseclubs beheimaten, sind sehr unterschiedlich. Wichtig ist immer, dass wir die Kinder erreichen. Das gelingt häufig über die Schulen als erste Anlaufstelle, die ohnehin Kontakt zu den Kindern haben. Darüber hinaus gibt es Leseclubs aber auch in Bibliotheken, Sportvereinshäusern, Bürger- oder Jugendzentren, Integrationsbüros, kirchlichen Einrichtungen, Museen oder bei der freiwilligen Feuerwehr. Es muss in den Bündnissen immer mit mindestens einem weiteren außerschulischen Partner kooperiert werden.
Wie sieht das Angebot der Leseclubs konkret aus? Was wird gefördert und finanziell ermöglicht?
Ein Leseclub findet in der Regel zweimal pro Woche für eine bis anderthalb Stunden statt. So kann das Lesen als Ritual etabliert werden. Natürlich sind Bücher das wichtigste Grundmittel, das wir stellen – ohne Bücher kein Leseclub. Darüber hinaus statten wir die Clubs aber auch mit Zeitschriften, Bastelmaterial, Spielen, Tablets oder Mobiliar aus. Manche Einrichtungen verfügen „nur“ über einen leeren Raum. Hier können wir mit Regalen oder Sitzmöbeln helfen, um zunächst eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen. Außerdem schulen wir Betreuende durch Weiterbildungen für die Arbeit in den Leseclubs. Zudem gibt es noch ein kleines Budget für Aufwandsentschädigungen für die größtenteils ehrenamtlich Tätigen.
Sie bieten auch analoge und digitale Anschlussaktionen an das Lesen an. Wie sieht so etwas aus?
Das ist ganz vielfältig: Häufig gibt es neben dem Lesen ein Bastelangebot in den Clubs. Die Treffen beginnen meist mit einem Begrüßungsritual, dann wird gelesen, danach in der Gruppe gebastelt. Manchmal werden die Kinder auch angeregt, die Geschichten weiterzuerzählen, Kurzgeschichten zu schreiben oder kleinere Theaterstücke einzuüben. Natürlich schaffen die Clubs auch Zeit und Raum für freie Beschäftigung. Tablets bieten besonders vielfältige Möglichkeiten für Anschlussaktionen ans Lesen.
Das aktuelle Quartalsthema von „Kultur macht stark“ lautet „Zusammenarbeiten und Partnerschaften“: Wie verläuft die Zusammenarbeit bei Ihnen? Wie können Interessierte einen Leseclub gründen?
Die „Stiftung Lesen“ stellt als Initiative den ersten Bündnispartner. Dazu kommen zwei lokale Einrichtungen als Bündnispartner. Diese lokalen Partner können verschiedene Einrichtungen vor Ort sein, die mit Kindern in Kontakt stehen. In der dritten Förderphase von „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ beginnen wir mit 250 Leseclubs und können, fortlaufend während der nächsten Jahre, 150 weitere Bündnisse gründen.
Wie blicken Sie zurück auf die letzten zwei Förderphasen? Was haben Sie mit den Leseclubs bislang erreicht?
Die Leseclubs sind flächendeckend erfolgreich. Bundesweit gab es bis Ende letzten Jahres 483 aktive Standorte und die Nachfrage ist ungebrochen groß. Auch wenn zu Zeiten der Coronapandemie erschwerte Bedingungen für Leseclubs herrschten, konnten wir dank innovativer Konzepte die Arbeit fortsetzen – zum Beispiel über „Büchertaxis“ oder digitale Leseangebote. Insgesamt konnten wir im Jahr 2022 etwa 21.000 Kinder in Leseclubs erreichen, die das Angebot regelmäßig nutzen. Das möchten wir in Zukunft ausbauen.