Kuriose Klangwelten für ein eigenes Hörspiel
Treffpunkt ist einmal wöchentlich ein Server: In Köln erarbeiten Jugendliche ein eigenes Hörspiel, entwickeln die Story, sprechen die Rollen ein und zaubern den perfekten Klang dazu. Motivationshilfe kam durch einen Musiker des Gürzenich-Orchesters.
„Wegen Corona habe ich etwas gesucht, das mir Spaß macht!“ „Ich mache gerne Quatsch mit anderen.“ „Hörspiele höre ich schon immer gerne, es nun selbst auszuprobieren, ist noch besser!“ So lauten die Antworten auf die Frage, wie die Elf- bis 13-Jährigen auf die Idee gekommen sind, sich am digitalen Hörspiel-Workshop einer Jugendeinrichtung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Köln zu beteiligen. Möglich wird die digitale AG durch eine Kooperation zwischen dem Verein „app2music“, der in „Kultur macht stark“ musik- und medienpädagogische Projekte initiiert, der AWO Köln und dem Gürzenich-Orchester.
Fantasievoll in neue Dimensionen vordringen
Die digitale AG „Make it yours“ ermöglicht es fünf Jugendlichen im Alter von elf bis 13 Jahren, eine selbst verfasste Geschichte als Hörspiel aufzunehmen. Ihre fantasievolle Heldengeschichte mit dem Titel „Das Filmportal“ hat Science-Fiction-Elemente, unter anderem wird eine Gruppe von Kindern von einem Bösewicht während einer Kinovorstellung in eine andere Dimension teleportiert. Die Jugendlichen schreiben alle Dialoge, sprechen die Rollen selbst ein, nehmen Hintergrundgeräusche auf und produzieren eigene Songs. Unter anderem lernen sie, die Stimmen für Grusel-Effekte zu verzerren. „Um dann alles zu einer sauberen Tonspur zusammenzuführen – alles in Eigenregie aus den heimischen Jugendzimmern heraus“, beschreibt Julian Quack von „app2music“.
Treffpunkt für den Hörspiel-Nachwuchs ist der „app2music -Discord-Server“. „Discord“ ist eine kostenlose Software, eine Plattform, auf der sich virtuell plaudern und video-telefonieren lässt. „Damit kann man sogenannte Server erstellen und andere Leute dorthin einladen, um mit ihnen zu kommunizieren. Auf dem Server sind alle app2music-Dozentinnen und -Dozenten sowie Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Städten in Deutschland aktiv und tauschen sich über Musik und Musikapps aus“, erläutert Julian Quack.
Jugendliche arbeiten auch eigeninitiativ weiter
Begleitet werden die Kölner Jugendlichen von dem Sozialpädagogen Frédéric Larue und dem Musiker Uwe Nitz. Die beiden arbeiten in der AWO-Jugendeinrichtung August-Bebel-Haus zusammen und haben schon einige Bandprojekte begleitet. Unter ihrer Leitung treffen sich die Jugendlichen regelmäßig einmal wöchentlich auf dem Server. „Das ist ein fester Termin, der für alle wichtig ist, so etwas wie ein Anker“, beschreibt Frédéric Larue. „Abgesehen von diesem verbindlichen Termin steht der Server immer zur Verfügung. Wir sammeln die Dateien in Discord auf den Server. Mit der ergänzenden App „Bandlab“ können diese dann weiterverarbeitet werden. Die Jugendlichen können sich also auch ohne uns privat verabreden und weiterarbeiten.“
Tour durch die Instrumentenkammer per Videokonferenz
Auf dem Server fand dann auch der „Besuch“ des Schlagzeugers Uwe Mattes aus dem Gürzenich-Orchester statt. Er gab per Videokonferenz eine ausführliche Tour durch die Instrumentenkammer des Schlagwerks. Neben bekannten Instrumenten wie der Pauke, einem Schlagzeug-Kit oder der Triangel, entdeckten die Teilnehmenden kuriose Klangwelten: Donnerblech, Löwengebrüll und Windmaschine – willkommene Effekte für ihr Hörspiel, das auch klanglich in neue Dimensionen vordringen will.
Für Frédéric Larue und Uwe Nitz ist spannend zu beobachten, wie die Jugendlichen als Gruppe zusammenwachsen: „Neben der Vermittlung von Wissen über Apps und kreative Mediennutzung und dem Reflektieren darüber geht es in der AG auch darum, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Dafür wird viel diskutiert, man muss sich einigen, man hört sich zu. Übrigens haben wir beobachtet, dass gerade das virtuelle Zusammentreffen für Disziplin sorgt. Es werden alle Stimmen gehört, auch introvertierte Jugendliche können sich Gehör verschaffen“, beschreibt Frédéric Larue.
„Durch dieses Treffen mit Uwe Mattes hat die Gruppe nochmal einen Motivationsschub erhalten, vor allem durch die neuen Samples, mit denen sie weiterarbeiten konnte“, sagt Frédéric Larue. Auch dass der Musiker ein großes Lob parat hatte, hat den jungen Hörspiel-Produzentinnen und -Produzenten gutgetan: „Ich bin stolz auf euch, weil ihr, obwohl die Umstände so schwierig sind, kreativ seid und eine Möglichkeit sucht, euch auszudrücken. Ihr werdet immer wieder auf dieses Hörspiel zurückschauen können, das in dieser verrückten Zeit entstanden ist.“
Die digitale AG läuft noch bis zu den Sommerferien, bis dahin soll das Hörspiel fertig sein. Momentan keimt die Hoffnung auf, dass doch auch das ein oder andere persönliche Zusammentreffen wieder möglich sein wird. „Wir haben das Bestmögliche aus dieser Corona-Situation herausgeholt“, ist Frédéric Larue überzeugt. „Aber für die Jugendlichen sind soziale Kontakte in Präsenz einfach superwichtig. Dann macht das Quatschmachen noch mehr Spaß.“