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Kreative Auszeiten

Mit zusätzlichen Ferienangeboten in allen Bundesländern leistet der „Kultur macht stark“-Sommer einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit.  Einblicke in Ferienprojekte aus Trier, dem Landkreis Wesermarsch und aus dem Ort Schwaan.

20 Programmpartner beteiligen sich am „Kultur macht stark“-Sommer. Damit sollen verpassten Chancen von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie aufgeholt werden, denn durch das Virus standen weniger kulturelle Bildungsangebote als üblich zur Verfügung. Um die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, engagieren sich viele der Programmpartner und erweitern die Fördermöglichkeiten. Zudem ist die Antragstellung für lokale Bündnisse und der Zugang zur Förderung erleichtert worden, etwa durch kürzere Antragsfristen. Wir präsentieren erste Einblicke aus dem „Kultur macht stark“-Sommer 2021:

Ärmel hochkrempeln und weitermachen

„In diesem Sommer war wirklich alles anders. Eigentlich hatten wir das so geplant, dass die Kinder endlich mal wieder die Möglichkeit erhalten sollten, unbeschwert mit anderen Kindern zusammen-kommen zu können. Die gemeinsamen Unternehmungen standen bei uns im Fokus, wir wollten einfach ein Stück Normalität im Miteinander nach der harten Corona-Zeit ermöglichen“, sagt Ruth Nohl, die im Jugendtreff Ehrang-Quint e.V. in einem Stadtteil von Trier tätig ist. Sie hat die Koordination des Projekts „Ab durch die Hecke – hin zum Ort der Träume“ übernommen, als weitere Bündnispartner waren das Quartiersmanagement Ehrang und der Friedrich-Bödecker-Kreis Rheinland-Pfalz e. V. eingebunden. „Dann kam das Hochwasser, das unseren gerade eingeweihten Neubau komplett geflutet hat. Unsere neue Küche, die Gruppenräume mit den Spielen für die Kinder und Jugendlichen – alles war ruiniert.“ Aber das Ferienfreizeitangebot für 23 Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren im Rahmen des „Kultur-macht-stark“-Sommers aufzugeben, war keine Option: „Wir haben die Ärmel hochgekrempelt, davon wollten wir uns nicht unterkriegen lassen. Auch ohne Dach über dem Kopf lässt sich etwas auf die Beine stellen, das war unser zentraler Gedanke“, erzählt Ruth Noll.

Kinder interviewten sich gegenseitig

Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, in den Ferienkursen Lieblingsorte im Stadtteil zu entdecken. Es war geplant, dass sie diese malen oder in einem kleinen Text charakterisieren, zudem hätte die Gruppe gemeinsam überlegt, wie weniger schöne Orte verbessert werden könnten. „Aber es war offensichtlich, dass die Kinder über das Thema Überschwemmung sprechen wollten. Wir haben sie gefragt, wie es ihnen geht. Und wir haben ein Gespür für die Bedürfnisse der Teilnehmenden entwickelt und sind dementsprechend offen und flexibel mit den Kindern umgegangen. Unser Job war dann, dem Erinnern und dem Sprechen über die Katastrophe Raum zu geben, gleichfalls aber auch unser Ziel im Kopf zu behalten. Wir wollten ja für frohe Stunden und ein unbeschwertes Miteinander sorgen“, schildert Ruth Nohl. „Mit Ausflügen in die Natur und zu einem Reiterhof ist uns das gelungen.“ Manfred Theisen, der sich als Autorenpate engagiert hat, beschreibt die Aktivitäten der Gruppe: „Die Kinder und Jugendlichen haben sich selbst gegenseitig interviewt und so über die Ereignisse als Augenzeugen berichtet. Dadurch entstand eine Beobachterdistanz, gleichzeitig stellten sie im Gegensatz zu den typischen Journalistenfragen andere Aspekte in den Mittelpunkt – und redeten schließlich frei vor der Kamera. Auf dem Reiterhof sowie auf der Wiese davor wurde sich gegenseitig gefilmt und interviewt, wobei hier das Reiten selbst den Mittelpunkt einnahm.“ So konnte doch ein wenig an den ursprünglichen Plan der Entdeckung der Lieblingsorte angeknüpft werden, denn der Reiterhof war ein Lieblingsort einiger Kinder. Alle Beteiligten waren zufrieden, dass es dem Hochwasser nicht auch noch gelungen ist, ihr Ferienprojekt zu zerstören.

Mit der Becherlupe am Wattenmeer

Ans Wattenmeer führte eines der Ferienprojekte der Kreisvolkshochschule (KVHS) Wesermarsch in Niedersachsen. Jeweils eine Woche lang beschäftigten sich die neun- bis zwölfjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „talentCAMPus“, dem Ferienbildungskonzept des Deutschen Volkshochschulverbandes (DVV), mit Fragen der Nachhaltigkeit. Unter dem Titel „Umweltbildung am Wattenmeer“ ging es in dem Projekt um Ozeanverschmutzung und den Schutz des Wattenmeeres, aber auch um die fröhlichen Momente am Strand und im Wasser. Es wurden kleinere Exkursionen unternommen, die Kinder haben ein Forschungs-Logbuch erstellt, gefundene Federn eingeklebt und mit der Becherlupe das Watt untersucht. Durch das Zeichnen und Bestimmen etwa von Salzwiesenpflanzen wurden die Kinder dazu ermuntert, mit Ruhe und Genauigkeit hinzuschauen, um das Gesehene präzise zu erfassen. Sie haben dann aus Muscheln und den gesammelten Gegenständen aus dem Schlick eine Collage erstellt. Diese sprach alle Sinne an, denn der Schlick ist weich in seiner Textur, ist äußerst formbar und bekommt mithilfe von Kleister eine Festigkeit. So haben die Teilnehmenden am Ende auch den Geruch nach Salz und Meer nach Hause getragen. Zu den Bündnispartnern zählten die Klimamanagerin des Landkreises Wesermarsch und die Kinderhilfe Butjadingen.

Fantasievolles Bühnenbild
Die Schule in Schwaab wird ein Ort der Fantasie – das hat den zehn Teilnehmenden viel bedeutet. © Verein Kultur-Land-Werkstatt

Insgesamt wurden von der KVHS Wesermarsch im „Kultur macht stark“-Sommer drei Ferienprojekte aus dem Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung angeboten, zwei davon als Halbtagsangebote. Kinder ab neun Jahren konnten sich im Ort Butjadingen als Nachwuchsforscherinnen und -forscher ausprobieren. Ein Ferienkurs in Nordenham stand unter der Überschrift, „Kinder (er)leben Klimaschutz und Nachhaltigkeit“. Dr. Claudia Schütze, stellvertretende Leiterin der KVHS Wesermarsch, berichtet, dass der Ehrgeiz der Projektpartner darin bestanden hat, „dieses doch recht schwere Thema so spielerisch und unterhaltsam aufzubereiten, dass die Kinder mit Spaß und Freude dabei sind“. Die Teilnehmenden haben unter anderem Müll gesammelt und sich mit ihren Fundstücken so kreativ auseinandergesetzt, dass neue Upcycling-Produkte entstanden sind.

Ältere begleiten die jüngeren Geschwister

„Wir halten Kontakte zu unterschiedlichen Institutionen, um Bündnisse zu ermöglichen: etwa mit Grundschulen, mit Stadtbüchereien oder auch mit einem Arbeitslosenzentrum. Wir wohnen zwar im ländlichen Raum, aber das heißt nicht, dass es keine Sorgen gibt. Wir haben arbeitslose Familien angesprochen, Eltern, die ihren Kindern kaum kulturelle Angebot machen können“, sagt Dr. Claudia Schütze. Es habe sich zudem bewährt, ein Ferienprojekt bereits für Kinder ab sechs Jahren zu ermöglichen: „Da kamen viele Geschwisterkinder mit, das freut uns, wir waren sogar etwas überrascht, haben damit wohl einen Nerv getroffen. Wir haben jüngere und ältere Kinder gleichermaßen erreicht. Normalerweise sinkt das Interesse der Zehn- oder Zwölfjährigen an Ferienprojekten, sie können ja auch leichter allein zu Hause bleiben. Aber als Begleitung ihrer jüngeren Geschwister fühlten sie sich doch angesprochen und waren mit großer Hingabe dabei.“

Erstmals „Kultur macht stark“-Förderung beantragt

Erstmals Förderung durch „Kultur macht stark“ beantragt hat der Verein „Kultur-Land-Werkstatt“ aus dem Ort Schwaan in Mecklenburg-Vorpommern. „Unseren Verein gibt es seit zwei Jahren, wir setzen uns ein für Kunst und Kultur im ländlichen Raum“, schildert Petra Paul, die für den Verein die Antragstellung beim Bundesverband Soziokultur und die Koordination des Projekts „Stadt – Land – Auszeit“ übernommen hat. „Als ich vom „Kultur macht stark“-Sommer gehört habe, dachte ich, das ist wie für uns gemacht. Als Lehrerin an der Prof.-Franz-Bunke-Schule, einer regionalen Schule mit Grundschulteil, war es nicht schwer, die Schule sowie den Schulförderverein als Bündnispartner für das Ferienprojekt zu gewinnen. Wir haben vor den Sommerferien Werbung mit Flyern gemacht, auch hatte die Schulsozialarbeiterin Tipps für uns, bei welchen Kindern sie Bedarf sieht. Die haben wir direkt angesprochen. Am Ende waren zehn Jugendliche im Alter von zwölf bis 14 Jahren dabei, sieben Mädchen, zwei Jungen und ein junger Mensch, der sich als divers beschreibt“, berichtet Petra Paul.

Bodypainting und visuelle Gestaltung

Die beiden Künstlerinnen Irina Ott und Lada Stepanenko haben sich jeweils um fünf Teilnehmende gekümmert. Irina Ott hat ihr Können als Bodypainting-Künstlerin weitergegeben, Lada Stepanenko vermittelte den Jugendlichen ihre Begeisterung für visuelle Gestaltung und kreative Bühnenbilder. Beide nutzten unterschiedliche Werkräume der Schule, um coronakonform agieren zu können. Für die Teilnehmenden war es ein besonderes Erlebnis, das große Schulgebäude so leer und still zu erleben. Die Künstlerinnen wurden jeweils von einer weiteren Person aus dem Verein unterstützt, zudem kümmerte sich ein älterer Jugendlicher ehrenamtlich um die Technik für die Abschlusspräsentation. Ebenfalls ehrenamtlich sorgten zwei Mitglieder des Schulfördervereins für ein frisch gekochtes Mittagessen.

Kreativität frei von Druck

Die Teilnehmenden haben sich mit den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft beschäftigt. Eine Gruppe hat fantasievolle Kulissen geschaffen, dafür Pappen ausgeschnitten, Lichterketten installiert und Korallen gebastelt. Die andere Gruppe hat sich um Kostüme gekümmert und äußerst kreative Erdkostüme aus Zweigen und Ästen kreiert. Irina Ott hat ihnen gezeigt, wie man kunstvoll Gesichter bemalt. Am Ende des Workshops stand eine kleine Bühnenpräsentation von poetischen Naturszenen. Da coronabedingt kaum Publikum zuschauen konnte, entstand zudem eine Fotoausstellung, die in der Schule zu sehen ist. Im Ferienprojekt haben es die Jugendlichen sehr genossen, sich frei von schulischem Druck kreativ ausprobieren zu können. „Dass das leere Schulgebäude zum Haus für kreative Experimente und zugleich ein Raum für eine Geborgenheit innerhalb einer Gruppe werden konnte, fanden die Jugendlichen sehr schön. Sie haben sich untereinander bestärkt und angespornt. Das waren positive Erlebnisse, die allen nach der anstrengenden Corona-Zeit gutgetan haben, vor allem aber den Teilnehmenden, die in ihren Elternhäusern kaum mit kulturellen Angeboten in Kontakt kommen“, erklärt Petra Paul. Sie freut sich, dass das Ferienprojekt auch nachhaltig war, denn viele Elemente können während der geplanten Schulprojektwoche im Herbst weiterentwickelt werden, denn die Projektewoche steht ebenfalls unter dem Motto „Vier Elemente“.

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Der Jugendtreff Ehrang-Quint e.V.  bietet stadtteilorientierte Kinder- und Jugendarbeit in Trier an. Der Verein hat sich zur Aufgabe gemacht, für Kinder und Jugendliche einen Treffpunkt zu schaffen, wo sie interessen- und altersspezifische Angebote finden. Der Friedrich-Bödecker-Kreis Rheinland-Pfalz ermöglicht Kinder und Jugendlichen die Begegnung mit Autorinnen- und Autoren, um die Lesemotivation zu erhöhen. Zu den Autorenpaten zählt Manfred Theisen aus Köln, der Kinder- und Jugendbücher verfasst und Schreibworkshops anbietet.

Die Kreisvolkshochschule (KVHS) Wesermarsch kooperiert mit unterschiedlichen Institutionen, unter anderem auch mit der Klimamanagerin des Landkreises Wesermarsch. Mit dem Programm „talentCAMPus“ fördert der Deutsche Volkshochschulverband (DVV) ganztägigen Bildungswochen während der Schulferien, verkürzte Bildungswochen, etwa halbtägig oder fünf ganze Tage auf mehrere Wochen verteilt, während der und auch Projekte auch außerhalb der Ferienzeiten, die an Schultagen nachmittags (außerhalb der Unterrichtszeit) und am Wochenende halb- oder ganztägig stattfinden können.

Der Verein „Kultur-Land-Werkstatt“ im 6.000-Seelen-Ort Schwaan in Mecklenburg-Vorpommern plant und organisiert kulturelle Veranstaltungen und künstlerische Initiativen wie Konzerte, Feste, Theater, Ausstellungen und Workshops. Vereinsmitglied Petra Pau unterrichtet an der Prof.-Franz-Bunke-Schule, sie stellte auch den Kontakt zum Schulförderverein her. Das Projekt wurde gefördert durch den Bundesverband Soziokultur, der mit seinem Konzept „Jugend ins Zentrum!“ Angebote der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche mit erschwerten Zugängen zu Kunst und Kultur fördert.