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„Dieses Programm hat es geschafft, wirklich eine Saat zu säen“

Eine offene, demokratische Gesellschaft braucht kulturelle Bildung, betont „Kultur macht stark“-Juryvorsitzende Professorin Andrea Tober. Im Interview berichtet sie von den Erfolgen der aktuellen Förderphase.

Porträtfoto von Andrea Tober
Andrea Tober, Rektorin und Professorin für Selfmanagement und Musikvermittlung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und Juryvorsitzende von „Kultur macht stark“. © Zebu Kluth

Seit dem Start der aktuellen Förderphase im Jahr 2023 setzen 27 Programmpartner „Kultur macht stark“ um, indem sie als Förderer Mittel an die Bündnisse weiterleiten oder als Initiative selbst mit lokalen Partnern Projekte durchführen. Wie kann man heute, im Jahr 2025, zusammenfassen, was seither passiert ist? 

Tober: Die Förderphase ist sehr gut angelaufen, was auch unsere Zwischenbegutachtung zeigt. Positiv wirkt sich aus, dass viele erfahrene Programmpartner, Förderer wie Initiativen, aus der letzten Periode dabei sind und erfreulicherweise erhalten diese mit dem Voranschreiten der Förderphase zunehmend mehr Anträge für die Umsetzung von Projekten. Zusätzlich sorgt der Fokus auf vier neue Entwicklungsbereiche in dieser Periode für das Entstehen wertvoller neuer Bündnisse. Wir sehen daran deutlich, dass der Bedarf und die Attraktivität des Programms beständig wachsen. Wir sind in jedem Fall sehr zufrieden und haben in dieser Förderphase tolle Zahlen vorzulegen mit mehr als 4.000 bereits geschlossenen lokalen Bündnissen und aktuell 250.000 Kindern und Jugendlichen, die im Programm an den Projekten teilgenommen haben.

Als Vorsitzende der „Kultur macht stark“-Jury moderieren Sie die Auswahl der Programmpartner und die Zwischenbegutachtung. Welche Aspekte waren Ihnen und den anderen Jurymitgliedern dabei wichtig?

Tober: Als Jury achten wir darauf, dass wir eine Vielfalt an Programmpartnern auswählen, die eine besondere Expertise mitbringen, um für Bildungsgerechtigkeit Sorge zu tragen. Das kann zum Beispiel eine inhaltliche, sozialräumliche oder eine Expertise speziell für unsere Zielgruppen sein, weil sie da bereits aktiv und präsent sind und bestimmte Bildungshürden auch adressieren können. Für unsere Auswahl war zentral, dass die Programmpartner verschiedene Ausdrucksformen in Kunst und Kultur anzusprechen vermögen und dabei die kulturelle Vielfalt der Teilnehmenden berücksichtigen. Nur so kann “Kultur macht stark” letztlich die Offenheit für kulturelle Praktiken in ihrer Diversität fördern. Unser größtes Anliegen ist innerhalb der Jury, dass die Kinder und Jugendlichen in Risikolagen tatsächlich erreicht werden, dass Begegnungen ermöglicht und Erfahrungsräume geöffnet werden, dass sie mit Freude erleben, was Kultur in ihrer Vielfalt bedeuten kann. 

Vier neue Entwicklungsbereiche spielen aktuell eine besondere Rolle: Der Ausbau von Ganztagesangeboten, die Bündnisvernetzung in kommunalen Strukturen sowie Projekte in strukturschwachen ländlichen Räumen und im Bereich digitaler kultureller Bildung. Wie läuft ihre Umsetzung bislang?

Tober: Hier können wir schon jetzt gute Entwicklungen erkennen. Die Hälfte der bislang geförderten Projekte hat beispielweise das Thema Digitalität auf der Agenda, was uns sehr freut. Es ist ein Zukunftsthema, mit dem wir uns als Gesellschaft auseinandersetzen müssen. Dabei geht es in den Projekten nicht nur um das Produzieren mit Einsatz digitaler Technologien, sondern auch um die Entwicklung von Medienkompetenz und kritischem Nutzungsverhalten. Hinsichtlich der kommunalen Verankerung stellen wir fest, dass weitere Arbeit geleistet werden muss, um in den Kommunen gute Bündnispartner zu finden. Dort sind wir jedoch bereits auf einem guten Weg, was sich nicht zuletzt auch darin zeigt, dass die Anzahl der Anträge in diesem Bereich stetig zunimmt. Insbesondere in strukturschwächeren ländlichen Räumen zeichnet sich in Zeiten von Kürzungen öffentlicher Gelder für Kultur und Bildung ab, dass „Kultur macht stark“ für die Förderung kultureller Bildung unverzichtbar geworden ist. 

Den Bereich der Ganztagesangebote in Grund- und weiterführenden Schulen sehen wir als riesiges Handlungsfeld für das Programm, für die kulturelle Bildung an sich und für uns als Gesellschaft. Denn dort können alle Kinder und Jugendlichen auf kurzen Wegen erreicht werden. Ganztagesangebote bieten durch diese Erreichbarkeit die Chance, bestmöglich einzulösen, wofür das Programm steht, und Schule als Lebensort zu stärken – sie fungieren damit als Keimzelle für das Erlernen von Demokratie und auch für all das, was mit kultureller Bildung ermöglicht wird. Wir sehen mit Freude, dass Kooperationen nun formal erleichtert wurden, zahlreiche Schulleitungen davon überzeugt sind und die Zusammenarbeit mit unserem Programm vorantreiben. Es ist uns damit gelungen, im Ganztag anzukommen – auch wenn wir da noch Luft für Entwicklung sehen.

Wie ordnen Sie die Relevanz des Programms für eine vielfältige Gesellschaft und starke Demokratie ein: Was kann „Kultur macht stark“ dafür leisten?

Tober: Kulturelle Bildung bedeutet das Kennenlernen und Erproben künstlerischer Ausdrucksformen, sich selbst und die eigenen Fähigkeiten entdecken zu können und trägt damit zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Das Programm leistet einen immensen Beitrag zu kultureller Teilhabe und zum Demokratie-Lernen. „Kultur macht stark“ steht dafür, Möglichkeiten zu eröffnen, Neues kennenzulernen und auszuprobieren, einander zu treffen, in einen gemeinsamen Austausch zu gehen, einander transkulturell zu begegnen in den verschiedensten kulturellen Praktiken und damit Offenheit und Zusammenhalt zu stiften. Wir müssen eine offene Gesellschaft bleiben, wir müssen eine Vielfalt lebende, wertschätzende Gesellschaft bleiben – und “Kultur macht stark”-Projekte sind die Orte, wo wir das mit einer jüngeren, nachwachsenden Generation tun. Wenn nicht da, wo sonst?

Was wünschen Sie sich künftig für das Programm?

Tober: Ich wünsche mir das, was sich über die letzten Jahre bereits angebahnt hat, nämlich nachhaltige Strukturen. Unser Programm hat es geschafft, wirklich eine Saat zu säen und ein tief reichendes Wurzelwerk zu entwickeln. Ich erinnere mich noch an die ersten Evaluationsberichte, die auf der Deutschlandkarte noch viele weiße Flecken gezeigt hatten; Bundesländer und Regionen, wo wir noch nicht angekommen waren. Aber über die Jahre ist das Programm weitergewachsen und diese weißen Flecken sind so gut wie verschwunden. Wir sehen heute deutlich, dass das Programm funktioniert und Netzwerke entstanden sind, die hoffentlich über die Förderung hinaus nicht nur weiter bestehen bleiben, sondern sich weiter ausbreiten. Ich wünsche mir, dass der Anspruch „Kultur für alle“, nicht mehr nur Utopie ist. Ich wünsche mir, dass Bildung, Kultur und kulturelle Bildung nicht mehr nur als Optionen betrachtet werden, sondern in einer von Polarisierung bedrohten Gesellschaft als zentrale Schlüssel gelten, um soziale Ausgrenzung zu verringern und zu mehr gesellschaftlicher Solidarität und sozialer Gerechtigkeit beizutragen. Und ich wünsche mir zuletzt – auch bei enger werdenden Haushalten – Rahmenbedingung dafür, die dies auch in Zukunft absichern.

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Prof. Andrea Tober wurde 1972 in Herford geboren. Sie studierte Musik und Germanistik für das Lehramt in Essen und Hannover, unterrichtete an Schulen und Musikschulen und initiierte und organisierte als Kulturmanagerin zahlreiche künstlerische Projekte. Heute ist sie Rektorin und Professorin für Selfmanagement und Musikvermittlung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. 2012 bis 2020 leitete sie die Education-Abteilung der Berliner Philharmoniker. Seit 2013 ist sie Mitglied der Jury von „Kultur macht stark“, deren Vorsitz sie 2022 übernahm.