Singen, Rappen, Musizieren: Im „HopeCamp“ erleben Kinder und Jugendliche ein besonderes Musikprojekt
Im sächsischen Annaberg entsteht in den Sommerferien 2023 ein Musikworkshop rund um das Thema Hoffnung. Im Interview beschreiben die Koordinatorinnen Gabriele Fritzsch und Friederike Seerig das Projekt. Sie erzählen auch von den Hürden und Chancen, die ihnen im ländlichen Raum begegnen.
Frau Fritzsch, Sie leiten das Familienzentrum in Crottendorf und haben gemeinsam mit ihrer Kollegin die „Kultur macht stark“-Ferienwoche „HopeCamp“ ins Leben gerufen. Was ist die Idee?
Fritzsch: Ich war Begründerin und 30 Jahre lang Leiterin unseres Familienzentrums. Doch gebe ich seit vorigem Jahr nach und nach immer mehr Verantwortung ab. Dadurch kann ich mich noch intensiver für unsere Musikangebote, die mir schon immer sehr am Herzen liegen, engagieren. „Kultur macht stark“ eröffnet uns dabei ganz neue Möglichkeiten „Zeig‘, was du kannst“ lautet unser ganzjähriges Projekt zum gemeinsamen Musizieren in unserem Familienzentrum in Crottendorf. Seit 2022 können wir dies gemeinsam mit unseren Bündnispartnern, der Gemeinde Crottendorf, dem Kindertreff Stadtmitte e.V. in Annaberg und der neuen Oberschule Crottendorf, unter Anleitung professioneller Hilfe durchführen. Hier können sich Kinder und Jugendliche in wöchentlichen Kursen musikalisch ausprobieren – zum Beispiel im Chorprojekt, in Trommelgruppen oder in Gitarrenkursen.
Seerig: Wir wollten die vielen Ergebnisse aus den Kursen bündeln und präsentieren. Daraus hat sich als Highlight in diesem Jahr der Musikworkshop in den Sommerferien entwickelt – das „HopeCamp“. Die Idee stammt von unserer Jugendleiterin Friederike Seerig. Um viele und neue Teilnehmende zu erreichen, haben wir dieses Projekt in der nächstgrößeren Stadt angesiedelt, in unserem Fall Annaberg. Wir konnten uns mit mehreren Partnern vernetzen, um möglichst vielen Kindern und Jugendlichen das gemeinsame Musizieren zu ermöglichen.
Das „HopeCamp“ dreht sich inhaltlich rund um das Thema Hoffnung. Wie kamen Sie darauf?
Seerig: Viele der Kinder und Jugendlichen aus dem Projekt haben einen Fluchthintergrund und sind neu in unserer Gesellschaft. Einige hat aber auch die Coronapandemie und die damit verbundene Isolation sehr geprägt. Das Thema Hoffnung zieht sich wie eine Art roter Faden durch all das, was Teilnehmende selbst thematisieren. Musik funktioniert gut als niedrigschwelliger Türöffner – auch für die Familien, die hinter den Teilnehmenden stehen.
Wie genau war der Ablauf des Musikworkshops? Was fand in den Sommerferien statt?
Seerig: Der Workshop fand im „Haus der Hoffnung“ der evangelischen Gemeinde Annaberg statt, einem Gebäude mit vielen Räumen und einem großen Garten. Die meisten Teilnehmenden waren zwischen zehn und zwölf Jahren alt. Eine Woche lang haben sich die 64 Kinder und Jugendlichen mit professionellen Musikerinnen und Musikern getroffen und ihre Ergebnisse am Ende in einer Abschlusspräsentation gezeigt. Vormittags gab es die Formate Musikproduktion, Rap, Freier Tanz, Choreografie, Gitarre und Drums. Nachmittags fanden die Chorproben statt.
Welche Zielgruppe konnten Sie mit Ihrem Projekt erreichen? Welche Botschaften vermitteln?
Seerig: Unser Projekt ist als offenes Angebot für alle Kinder und Jugendlichen konzipiert, viele kamen aus geflüchteten Familien. Sie haben sich mit ihren Themen einbringen können, mit ihren Schicksalsschlägen, mit der Trauerarbeit, in der sich viele befinden. Für andere waren auch Themen aus dem Schulalltag relevant, wie zum Beispiel Mobbing. Wir haben hier häufig auch weitere Hilfsangebote vermittelt. Insgesamt konnten wir über den Weg der Musik Vertrauen aufbauen, die Gemeinschaft stärken und Hoffnung und Zuversicht spenden.
Wie können wir uns die Abschlusspräsentation vorstellen?
Seerig: Das war sehr stimmungsvoll. Wir konnten alle Familien und Freunde in einem Raum versammeln. Die Kinder trugen blaue T-Shirts mit der Aufschrift „HOPE“ und waren freudig aufgeregt und vor allem stolz, das Gelernte der Woche zeigen zu dürfen. Dazu zählten Tänze, selbstgeschriebene Songs oder Raps oder auch verschiedene Medleys. Wir haben mit einer Moderation durch das Programm geführt. Viele Eltern haben uns erzählt, dass die Kinder die Lieder zuhause weitergesungen haben oder dass Songs auch Eingang in Schulbands gefunden haben. Wir haben insgesamt eine große Dankbarkeit gespürt.
Wie war Ihre Erfahrung mit einem Projekt in einer eher ländlichen Gegend?
Seerig: Es ist immer eine größere Hemmschwelle, lange Fahrtzeiten auf sich zu nehmen, sowohl für die Koordinierenden als auch für die Teilnehmenden. Ein nächstgrößerer Standort bringt viele Vorteile, da dort bereits Infrastrukturen gegeben sind. Wir sind auf die evangelische Gemeinde in Annaberg zugegangen und durften das Gemeindehaus „Haus der Hoffnung“ für das „HopeCamp“ nutzen. Aus meiner Sicht ist der Netzwerkgedanke im ländlichen Raum noch wichtiger. Manchmal kann es einfach nützlich sein, sich noch mehr Verbündete als die klassischen Bündnispartner zu suchen und anfallende Aufgaben auf verschiedene Menschen aufzuteilen. Unsere Bündnispartner waren die Gemeinde, der Kindertreff Stadtmitte e.V. in Annaberg und die Oberschule in Crottendorf. Darüber hinaus engagierten sich auch das „Haus der Hoffnung“ der evangelischen Gemeinde Annaberg, der Jugendtreff Meisterhaus Annaberg sowie der Verein The Message e.V.
Fritzsch: Uns hat die Gemeinde bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, aber vor allem auch bei vielen praktischen Anliegen. Es braucht viele helfende Hände, zum Beispiel bei der Technik oder der Bestuhlung. In unserem Fall werden uns zudem von der Gemeinde die Räume des Familienzentrums mietfrei zur Nutzung gestellt. Schulen innerhalb einer Gemeinde sind auch immer wichtig, um Teilnehmende zu gewinnen und das Angebot bekanntzumachen.
Haben Sie als Koordinatorinnen Tipps und Empfehlungen für andere Projektinitiatoren im ländlichen Raum?
Seerig: Eine gute Organisation ist besonders wichtig. Es hilft, sich gezielt Netzwerkpartner zu suchen und konkrete Hilfe anzufragen. Gerade bei mehreren Projektpartnern ist es gut, eine Art „Kernteam“ zur besseren Terminabsprache und für eine reibungslose Kommunikation zu etablieren. Ich empfehle für die Ansprache möglicher Partner eine gute Mischung aus etablierten und neuen Kontakten. So kann ein Netzwerk gut und beständig wachsen.
Fritzsch: Die wichtigste Empfehlung ist in unseren Augen, nicht nur Flyer zu verteilen, sondern mit Kindern, Jugendlichen, Eltern, Lehrern zu sprechen, um das Projekt zu erklären. Der persönliche Kontakt und die Mund-zu Mund-Propaganda sind gerade im ländlichen Raum von unermesslichem Wert.