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„Man kann nur schützen, was man liebt“

In den Kunstwerkstätten von Pakt e.V. beschäftigen sich geflüchtete Kinder mit den Themen Natur und Umweltschutz. Barfuß über eine Wiese zu laufen oder ein selbst gebautes Schiffchen auf einen Fluss zu setzen, sind dabei für einige ganz neue Erfahrungen. Die Kinder erleben, warum kleine Schritte Großes bewirken können.

Hände beim Arbeiten mit Ton
© Freikunst, Pakt e.V.

Das Schiffchen aus Holz und Bambus legt ab, hält sich kurz auf der Wasseroberfläche und taucht dann mit einem Blubbern unter. „Oh nein“, rufen die Kinder und versuchen, das von ihnen gebaute Gefährt aus dem Fluss zu ziehen. Niemand bleibt trocken bei der Rettungsaktion, doch das stört die Kinder nicht. Vor wenigen Wochen sah diese Szene noch anders aus. Die Kinder trauten dem Wasser nicht, sie hatten Angst vor Insekten. Doch seit sie öfter den Fluss beobachtet und ein Biotop im Wald besucht haben, wissen sie: Wasser ist voller Leben. Da gibt es Störche und Graureiher, die es zu schützen gilt. Und auch Käfer sind weniger beängstigend, wenn man sich die metallisch leuchtenden Farben auf ihren Panzern genauer anschaut.

Nachhaltigkeit künstlerisch erlebbar machen

Diesen Wandel hat das Projekt „Freikunst“ angestoßen, das der Pakt e.V. gemeinsam mit den Bündnispartner DRK Freiburg e.V. mit dem Flüchtlingssozialdienst am Kappler Knoten, das Kommunale Kino Freiburg und die Logopädische Praxis am Vogelhof initiiert haben. In offenen Kunstwerkstätten haben geflüchtete Kinder die Möglichkeit, sich mit den Themen Natur und Umweltschutz zu beschäftigen. Dabei lernen sie nicht nur ihre Umwelt, sondern auch sich selbst besser kennen. Das Konzept funktioniert so: Kunstschaffende gestalten gemeinsam mit Pädagoginnen und Pädagogen verschiedene Stationen, zwischen denen die Kinder aussuchen und wechseln können. Bei einer Station wird ein Schiff aus Bambus gebastelt, bei einer anderen ein kurzes Theaterstück eingeübt, Musik gemacht oder ein Spiel im Wald gespielt.


Werte über eigene Erfahrungen vermitteln

Die Idee ist, Werte über eigene Erfahrungen zu vermitteln. Sie orientieren sich an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, der Agenda 2030. Dazu gehört der Erhalt der Natur und der Schutz unserer Umwelt. Die Projektleiterin Felicia Jübermann erzählt, dass es bei der Freikunst viel ums Selbermachen und Ausprobieren gehe: „Wir versuchen, die Ziele durch verschiedene künstlerische Prozesse zu beleuchten und lebendig werden zu lassen.“ Am Anfang sei das alles andere als leicht, denn viele der geflüchteten Kinder seien noch nie im Wald gewesen oder mit nackten Füßen im Gras gelaufen. Sie hätten deshalb Angst vor Insekten und fänden den Matsch und den Regen eklig, erklärt die Projektleiterin. Durch die Kunstwerkstätten erlebten sie den Wald, den Fluss und die Tiere aus erster Hand. Das helfe ihnen, die Natur schätzen und lieben zu lernen – und in einem zweiten Schritt bewahren zu wollen. Denn, wie Jübermann sagt „Man kann nur schützen, was man liebt“.

Doch die Ausgangsbedingungen sind für viele Kinder nicht leicht. Oft seien sie traumatisiert, sprächen kein Deutsch. Umso wichtiger sei der künstlerische Prozess, der während der Kunstwerkstatt gefördert wird. Die Kinder können nicht nur Dinge erschaffen und schützen, sondern erleben, was Teamgeist bedeutet: „Bei all unseren Workshops oder Ausflügen üben wir gewaltfreie Kommunikation und faires Spiel. Das stärkt die Teamfähigkeit und Freundschaften nachhaltig.“

Kinder lernen, dass sie eigene Rechte haben

Das Projekt vermittelt den Kindern außerdem, welche eigenen Rechte sie haben. Die meisten haben zwar gelernt, welche Pflichten sie haben, wie zum Beispiel ihre Hausaufgaben zu machen, wissen aber nicht, dass sie auch eigene Wünsche äußern dürfen. „Wir wollen den Kindern mitgeben, dass sie ein Recht auf Kindheit haben. Dass sie ins Schwimmbad gehen können dürfen, im Wald spielen, sich schmutzig machen und eigene Ideen umsetzen können.“

Dazu gehöre auch das Recht zu scheitern. „Den Kindern fehlt es oft an Selbstwertgefühl, weil sie es in der Schule zum Beispiel oft schwerer haben“, erklärt Jübermann. „Durch den Kunstprozess lernen sie, dass sie an den Dingen dranbleiben können, auch wenn es beim ersten Mal nicht klappt.“ Diese Erkenntnis sei essenziell für das spätere Leben der Kinder und deren Integration. Denn nur, wer die Angst vor Fehlern überwinde, sei motiviert, die Gesellschaft und die Zukunft mitzugestalten.

So war es auch mit dem kleinen Schiff aus Holz und Bambus, das unterging. Die Kinder wurden dazu animiert, zu reflektieren und gemeinsam eine Lösung zu finden: Warum ging das Segel unter? Lag es am Holz? Haben wir den Mast nicht gerade genug gebaut? Vor allem aber: Wie kriegen wir es beim nächsten Mal besser hin? Diese Fragen haben die Kinder motiviert, so lange herumzuexperimentieren, bis sie die richtigen Materialien und Maße fanden, um ein neues Boot zu bauen. Die Freude in ihren Augen, wenn das Schiffchen nach all ihrer Mühe auf der Wasseroberfläche bleibt, kann man sich vorstellen.

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Das Projekt „Freikunst“ von Pakt e.V. wird gefördert vom Programmpartner Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V., kurz BKJ. Es ist im März 2023 gestartet und auf zwei Jahre angelegt. Zweimal pro Woche besuchen die Bündnispartner mit ehrenamtlichen Kunstschaffenden sowie Pädagoginnen und Pädagogen Wohnheime für geflüchtete Familien bei Freiburg und veranstalten eine offene Kunstwerkstatt. Dienstags findet das Projekt am Kappeler Knoten statt und freitags zieht die Kunstwerkstatt an ein Wohnheim auf der anderen Seite der Stadt. Zusätzlich veranstaltet „Freikunst“ Projektwochen zu Ostern und Pfingsten sowie in den Sommerferien.