Wie Kinder mit Wörtern Welten erschaffen
Das Naturkundemuseum ist gefüllt mit Stimmen und Schreibutensilien. In der Luft hängen zahlreiche Wörter und Ideen: Im „Wörterwelten“-Projekt in Potsdam lernen Kinder und Jugendliche, ihrer literarischen Kreativität freien Lauf zu lassen.
„Emmi sitzt vor der Glasvitrine. Sie ist im Naturkundemuseum. Ihr Vater, von Beruf Biologe, schleppt sie jedes Wochenende in Museen oder in Tierparks. Sie kennt sich also aus. Notgedrungen.“ So beginnt eine der zahlreichen Geschichten und Gedichte, die Kinder und Jugendliche im Workshop „Kreatives Schreiben zu wissenschaftlichen Themen“ verfasst haben. Von Februar bis September 2022 fand das Projekt mit Jugendlichen der Jahrgangsstufen fünf bis zehn in Kooperation mit der Voltaireschule Potsdam und dem Naturkundemuseum Potsdam statt. Es gehört zum „Kultur macht stark“-Angebot „Wörterwelten. Literatur lesen und schreiben mit Autor*innen“ des Bundesverbandes der Friedrich-Bödecker-Kreise e. V., in dem Kinder und Jugendliche von professionellen Kinder- und Jugendbuchautorinnen und -autoren begleitet werden. „Wir arbeiten interdisziplinär und ressourcenorientiert. Bei uns sollen sich die Schülerinnen und Schüler ohne Leistungsdruck aus sich selbst heraus entwickeln können“, berichtet die Autorenpatin Jana Franke. So tasten sich die Kinder und Jugendlichen in 50 Stunden an das kreative Schreiben von Texten heran und finden ihren eigenen Weg, sich sprachlich auszudrücken und zu erzählen. Zusätzlich erfahren sie interessante Fakten über wissenschaftliche Zusammenhänge.
Gemeinsam unterwegs im Naturkundemuseum
An mehreren Terminen besuchten die Kinder und Jugendlichen das Naturkundemuseum Potsdam, bekamen Einblicke in die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und hatten das Museum zu großen Teilen für sich allein. Auf diese Weise konnten sie alles in Ruhe entdecken und sich für ihre Geschichten und Gedichte inspirieren lassen. Wie kommen der Otter und der Wolf in das Naturkundemuseum und wieso sehen ihre Augen so echt aus? Fragen wie diese, die zu Beginn des Besuchs gestellt wurden, beantwortete die Museumspädagogin Larissa Goebel, die die Gruppe über die gesamten Arbeitsphasen fachlich begleitete. „Die Zusammenarbeit mit dem Naturkundemuseum als Projektpartner war einfach nur toll und unterstützend. Alle waren mit so viel Herzblut dabei!“, schwärmt Jana Franke.
Geschichten von Wölfen und Ottern
Nach dem Erkunden folgten Schreibanregungen und Warm-up-Übungen mit der Autorenpatin. Und dann ging es los mit dem Schreiben. Entstanden sind Gedichte, lyrische Kurztexte, poetische Fragmente und Kurzgeschichten – alle inspiriert von den Erlebnissen im Museum. Feedbackrunden zu Beginn und am Ende jedes Projekttages wurden genutzt, um über die Texte und die darin verarbeiteten Emotionen zu sprechen. Zusätzlich konnten sich die Schülerinnen und Schüler in einer extra für sie von der Autorenpatin angelegten Bibliothek mit passender Literatur weiter informieren. Begleitet wurde das Projekt auch von Undine van Beek, die die Schülerinnen und Schüler in die Welt der Fotografie einführte, sowie von Karin Klimsa, die in ihre Keramikwerkstatt einlud. So hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, ihre Erlebnisse zu bebildern und ihre „Wörterwelten“ auf Porzellan zu malen. Nach Programmabschluss wurden die Arbeiten der Kinder und Jugendlichen in einem Buch veröffentlicht und beim großen Schulfest in der Potsdamer Voltaireschule vorgestellt.
Leidenschaft und Kreativität entwickeln
Bereits seit 2017 setzt der Friedrich-Bödecker-Kreise e.V. Autorenpatenschaften in ganz Deutschland um, die im Rahmen von „Kultur macht stark“ gefördert werden. „Ich selbst bin Mitglied im Friedrich Bödecker Kreis Brandenburg und habe über einen Workshop von diesem Angebot erfahren. Sofort war mir klar: Das will ich machen!“, berichtet Jana Franke, die auch die Zusammenarbeit mit der Voltaireschule lobt. Ein Newsletter des Schulleiters und drei Info-Termine an der Schule ermöglichten es den Schülerinnen und Schülern, sich mit dem Projekt vertraut zu machen. Die einzelnen Klassenlehrerinnen und -lehrer sprachen die Kinder und Jugendlichen gezielt an, motivierten und ermunterten. „Ohne so viele engagierte Lehrkräfte wäre die Umsetzung eines solchen Projektes nicht möglich gewesen“, weiß Jana Franke und ist froh darüber, dass auch in Zukunft das Projekt „Wörterwelten“ als außerschulische Leseförderung weitergeführt wird.