Kinder gestalten ihre Umwelt
In Landshut haben Grundschulkinder analog und digital die Natur in ihrer Umgebung erforscht – und sich dazu entschlossen, Verantwortung zu übernehmen. Sie wollen einen Bach von seinem Betonbett befreien und ein Kräuterbeet pflegen.
Gleich zwei „Kultur macht stark“-Projekte im Zeichen der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ konnten 2021 in der Region Stadt und Landkreis Landshut erfolgreich abgeschlossen werden. Initiiert wurden die Projekte von der kommunalen Bildungsmanagerin Claudia Weindl. Für das Projekt „Naturforscher – ein Bach stellt sich vor“ in der Stadt Landshut hat sich die Geschäftsstelle der Bildungsregion Landshut mit der Grundschule St. Nikola und der Stadtbücherei Landshut zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Im Projekt „erLESENE Kräuterwelt“ im Landkreis Landshut waren die Grundschule Adlkofen und die örtliche Gemeindebücherei Bündnispartner des kommunalen Bildungsbüros. Gefördert wurden die beiden Umweltprojekte vom Deutschen Bibliotheksverband im Rahmen des Programms „Total Digital! Lesen und erzählen mit digitalen Medien“.
Kinder eignen sich Wissen außerhalb der Schule an
In beiden Projekten sind jeweils zehn Acht- bis Zehnjährige von den Lehrkräften der Schulen zur Teilnahme eingeladen worden. „Wir haben uns in der Bildungsregion Landshut zum Ziel gesetzt, dass kein Talent verloren gehen darf“, erläutert Claudia Weindl. Sie hält engen Kontakt zu den Schulen in der Region, insbesondere zu Schulen, die einen hohen Anteil von Kindern mit Migrationsgeschichte haben und vor allem von Kindern aus sozial belasteten Familien besucht werden. Für die beiden Projekte sind jeweils zehn Kinder aus den vierten Klassen angesprochen wurden. Ihnen war während der Coronapandemie die feste Tagesstruktur abhandengekommen und sie sollten die Chance bekommen, sich außerhalb der Schule unbeschwert Wissen auf kreative Weise anzueignen.
Präzision beim Zeichnen der Wildkräuter
Im Projekt „erLESENE Kräuterwelt“ haben sich die Kinder mit heimischen Kräutern beschäftigt: sie gesammelt, klassifiziert und gezeichnet, aber auch Salat und Limonade aus ihnen gemacht. „Uns war es wichtig, unmittelbar im Alltag der Kinder anzusetzen. Wir haben sie dazu ermuntert, ihre bekannten Wege im Ort mit einem frischen Blick auf das, was dort wächst, zu gehen“, schildert Claudia Weindl. Anschließend bestimmten die Kinder in der Bücherei mithilfe von Büchern und mit Pflanzenerkennungs-Apps ihre Fundstücke. Ergänzend dazu haben sie sich mit Sagen, Mythen und Märchen beschäftigt, auch mit Gedichten und Liedern rund um die Welt der Kräuter. „Die Kinder waren konzentriert und aufmerksam bei der Sache – beim Sammeln der Kräuter ebenso im kreativen Umgang damit, etwa beim präzisen Zeichnen der Pflanzen“, schildert Claudia Weindl.
Den Lebensraum rund um den Bach erkundet
Den ökologischen Zusammenhängen rund um den Bach Pfettrach haben Grundschüler der St. Nikola Schule in Landeshut nachgespürt. Denn auf dem Schulgelände befindet sich ein Stück des Baches. Im Projekt „Naturforscher – ein Bach stellt sich vor“ ist den Kindern bewusst geworden, was es bedeutet, dass „ihr“ Teilstück des Baches in einem Betonbett verläuft – nämlich eine starke Beeinträchtigung der angrenzenden Flora und Fauna. Das Ausmaß der Ödnis wurde ihnen noch deutlicher vor Augen geführt, als sie einen Ausflug zu einem renaturierten Flussabschnitt der Pfettrach unternahmen. Als sie sahen, wie frei und natürlich sich das Wasser durch eine vielfältige Auenlandschaft schlängelt, haben sie sich viele Fragen gestellt: Wie sah der Flusslauf früher aus? Welche Pflanzen sollten bei einer Neugestaltung gesetzt werden, um welchen Tieren Lebensraum zu schaffen?
Kinder nehmen ihr Recht auf Mitbestimmung wahr
Um Antworten zu finden, haben die Acht-bis Zehnjährigen in der Bücherei recherchiert. Sie haben Bücher und Karten gewälzt und überlegt, wie das Bachbett an ihrer Schule umweltfreundlicher gestaltet werden kann. Sie haben ein digitales Tagebuch geführt, analoge und digitale Modelle erstellt. Darüber tauchte der Wunsch nach Partizipation auf. Die Kinder haben sich überlegt, wie ihre Stimme in der Kommunalpolitik Gehör finden kann. Schließlich haben sie sich dazu entschlossen, einen Antrag in der Sitzung des Stadtparlaments zu stellen. „Das war eine großartige Aktion“, sagt Claudia Weindl. „Vor einem Stadtrat zu treten und seine Wünsche kurz und prägnant zu formulieren, da muss ein junger Mensch schon erstmal seine Schwellenangst überwinden. Die Kinder haben all ihren Mut zusammengenommen und in einer starken gemeinschaftlichen Leistung ihre Ergebnisse vor der Kommunalpolitik präsentiert. Sie haben ihr Anliegen deutlich formuliert und sind beeindruckend selbstbewusst aufgetreten.“
Inspiration für Familienausflüge
Die Initiative der Grundschulkinder hat bereits etwas bewegt: Es haben sich Ehrenamtliche gefunden, die sie dabei unterstützen, den Bach auf dem Schulgelände von seinem Betonbett zu befreien. Was Claudia Weindl auch freut, ist, dass die Einbeziehung der Eltern gut gelungen ist. Nach dem Ausflug zum natürlichen Teil der Pfettrach haben die Kinder zu Hause so begeistert davon berichtet, dass viele Eltern sich bei der Schule nach der genauen Stelle am Fluss informiert haben, um anschließend Familienausflüge dorthin zu unternehmen.
Kinder kennen sich besser mit Kräutern aus als ihre Eltern
Ähnlich positive Rückmeldung kam auch von den Eltern der teilnehmenden Kinder am Kräuterprojekt. Umweltpädagogin Lisa Fleischmann, die in beiden Angeboten die jeweiligen Teams aus Fachkräften und den Bibliotheksmitarbeiterinnen mit ihrem Know-how unterstützt hat, erhielt viele zustimmende Anrufe. Eltern zeigten sich begeistert darüber, dass ihre Kinder ihnen erklären können, was am Wegesrand wächst. „Zudem haben die Kinder auch die Gemeindebücherei als Freizeitort entdeckt“, schildert Claudia Weindl. „Sie kennen die Bücherei aus dem schulischen Zusammenhang, aber dass sie auch nachmittags ein toller Treffpunkt ist, das war für viele der Kinder eine echte Entdeckung.“ Ähnlich wie die Kinder in der Stadt, engagieren sich auch die Kinder aus Adlkofen auf lange Sicht: Zusammen mit ehrenamtlichen Gemeindemitgliedern kümmern sie sich um die bislang verwaisten Kräuterbeete ihrer Schule. In Adlkofen wie in Landshut möchten die Kinder auch in Zukunft Verantwortung übernehmen und ihre Umgebung aktiv mitgestalten.