Heldengeschichten tanzen
Tanz in der Gesellschaft zu verankern und Teilhabe zu ermöglichen sind Ziele von Aktion Tanz – Bundesverband Tanz in Bildung und Gesellschaft. Als Programmpartner von „Kultur macht stark“ fördert der Verband Tanzangebote für Kinder und Jugendliche.
Hip-Hop, moderner Tanz oder Ballett – Tanz ist in jeder Form bei Kindern und Jugendlichen beliebt. Aktion Tanz – Bundesverband Tanz in Bildung und Gesellschaft e.V. will Kinder und Jugendliche dazu animieren, selbst zu tanzen. Der Verband ging 2007 aus einer Initiative von 40 Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich Tanz in Schulen hervor. Mittlerweile ist er mit 160 Mitgliedern bundesweit aktiv und seit 2013 Programmpartner bei „Kultur macht stark“.
Selbst tanzen und Tanz als Kunstform kennenlernen
„Tanz fördert Kreativität, verschafft ein gutes Körpergefühl und stärkt die Selbstwahrnehmung“, sagt Katharina Schneeweis von Aktion Tanz. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina Kessel leitet sie das „Kultur macht stark“-Programm „ChanceTanz“, das von beiden federführend entwickelt wurde. Es fördert lokale Projektvorhaben, in denen Kinder und Jugendliche unter professioneller Leitung von Tanzkünstlerinnen und Tanzkünstlern gemeinsam im Team mit Pädagoginnen und Pädagogen oder auch Künstlerinnen und Künstlern anderer Sparten an einem tänzerisch-kreativen Prozess teilhaben und diesen aktiv mitgestalten. Die Ergebnisse der Projekte werden in der Regel präsentiert.
In der ersten Förderphase von 2013 bis 2017 wurden im Rahmen von „ChanceTanz“ 558 Projekte in rund 260 Bündnissen gefördert. Projekte fanden in allen Bundesländern statt und erreichten rund 10.000 Kinder und Jugendliche. In der zweiten Förderphase wurden bislang knapp 550 Projekte gefördert. Die Bündnisse bestehen aus mindestens drei Partnern. „Das sind Orte oder Einrichtungen, wo Kinder und Jugendliche aus- und eingehen bzw. erreicht werden“, sagt Katharina Schneeweis und meint diverse Schulformen, Jugendeinrichtungen, Nachbarschaftszentren und verschiedenste sozialräumliche Partner. Mindestens ein Partner stammt aus dem künstlerisch-kulturellen Bereich. „Es kann ein Theater, eine Kompanie oder ein Verein sein, der Tanzprojekte an Schulen und anderen Einrichtungen gestaltet.“ Aber auch Kunstvereine, Museen, Bibliotheken, Kunstsammlungen oder andere künstlerische Einrichtungen sind kulturelle Partner in Bündnissen.
Wöchentliche Treffen, Intensivproben oder Ferienformate
Die Ausgestaltung der Projekte soll sich an den Möglichkeiten der Teilnehmenden und der Bündnispartner orientieren. Es kann wöchentlich getanzt werden, in Intensivproben an Wochenenden oder in einem kompakten Ferienformat. „ChanceTanz“ bietet vier verschiedene Formate an. Die Anzahl der Projektstunden variiert zwischen zehn und hundert, vom sogenannten Tanz-Splitter bis zum Tanz-Sonderprojekt. „So ist alles realisierbar: von großen Bühnenpräsentationen über Live Performances an unterschiedlichsten Orten bis hin zu Tanzfilmen, oder auch Schnupperworkshops, vielleicht sogar gemeinsam mit den Eltern“, erklärt Katharina Schneeweis.
Neben der praktischen Seite des Angebotes sollen auch Möglichkeiten zur Rezeption von Tanz in Form von Aufführungs- oder Probenbesuchen professioneller Tanzkompanien oder Aufführungen von Peergruppen geschaffen werden. „Tanz soll nicht nur als körperliche Bewegung, sondern auch als Kunstform und Berufsfeld kennengelernt werden“, berichtet Schneeweis.
Improvisationen im sächsischen Bergbaugebiet
Wie weit das Spektrum der Projekte gespannt ist, zeigt das Tanzprojekt „Leipzig Coal Dance“. Es stellte 2019 das Thema Braunkohleabbau in den Mittelpunkt und forderte zur Beschäftigung mit dem Klimawandel auf. Die sechs bis 14-jährigen Teilnehmenden, die in zwei Gruppen aufgeteilt waren, näherten sich dem Thema durch Exkursionen zum aktiven Tagebau oder zu umgesiedelten Dörfern. Daneben dienten Fotos und Zeitzeugenberichte als Inspiration für eine bewegungsimprovisatorische und kompositorische Arbeit. Die Erlebnisse mündeten in öffentliche Aufführungen. Eine weitere kreative Kombination zeigt sich im Projekt „Die bewegte Bücherei“ in Dinkelscherben bei Augsburg, in dem Kinderbücher und zeitgenössischer Tanz miteinander verbunden werden. Die Kinder setzen gewissermaßen die Heldinnen und Helden ihrer Kinderbuchgeschichten in Bewegung. Zunächst wurde tänzerisch in der Turnhalle und der Bibliothek improvisiert, es wurden Bewegungsformen für die unterschiedlichen – bei den Kleinen zumeist tierischen – Figuren ausprobiert und zu kleinen Abfolgen zusammengefügt. Für den zweiten Teil des Projektes ist als Abschluss eine Aufführung in der Gemeindebücherei geplant, die zu diesem Zweck in einen „Raum bewegter Geschichten“ verwandelt werden soll.
Nicht Choreografien nachahmen, sondern Alltagsfragen stellen
Katharina Schneeweis betont die positiven Effekte des Tanzes auf das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen. „Bei den Projekten geht es nicht nur darum, einen Tanzstil wie Ballett oder Hip-Hop kennenzulernen und eine Choreografie nachzutanzen“, sagt sie. „Es soll ein Thema aus der Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen aufgegriffen werden. Dieses wird über Fragestellungen mit den Teilnehmenden erforscht.“ Wie funktioniert etwas bei mir, bei den anderen oder in der Gesellschaft? Über die gemeinsame und bewegte Auseinandersetzung werden Themen kreativ bearbeitet, aber auch das Ich und die Beziehungen in der Gruppe gestärkt. „Tanz unterstützt die Entwicklung von Sozialkompetenzen, die wir für ein zukunftsgewandtes und positives Miteinander benötigen“, erklärt Katharina Schneeweis.
Der Austausch zwischen Bündnispartnern, den Dozentinnen- und Dozenten-Teams und dem Programmpartner Aktion Tanz ist auch Bestandteil von „ChanceTanz“. Jährlich gibt es einen Fachtag, auf dem projektspezifische und relevante Themen vorgestellt und diskutiert werden. So ging es 2020 anhand von Projektpräsentationen und Austauschrunden zum Beispiel um spartenübergreifendes oder themenspezifisches Arbeiten sowie um politische Dimensionen in der Tanzvermittlung. Im Rahmen eines Inputvortrags und Workshops wurden diskriminierungskritische und inklusive Aspekte in der kulturellen Bildungsarbeit fokussiert. 2021 wurde das Thema digitale Tanzvermittlung aufgegriffen und in Form verschiedener Workshops online den Bündnissen angeboten und von diesen gut angenommen. Mittlerweile können sich die Projektgruppen wieder treffen. Die Antragsfristen von „ChanceTanz“ sind für die noch laufende zweite Förderphase aufgehoben. „Wer möchte kann sofort und bis Frühjahr 2022 einen Antrag einreichen“, erklärt Katharina Schneeweis.