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„Wir möchten Lernen mit Erfahrungen verknüpfen“ – ein Projekt zum Erleben von Gemeinschaft

Ein „Kultur macht stark“-Projekt mit vielen kleinen Einzelprojekten realisieren in Sachsen die Erzieherin Mandy Bachmann und der Künstler Swen Kaatz. Sie legen in der Post-Coronazeit den Fokus auf das Erleben von Gemeinschaft – und schaffen hierfür ein kreatives Angebot.

Kinderhände um Baumstamm herum
© Swen Kaatz

Frau Bachmann, Sie sind gelernte Erzieherin und Herr Kaatz, Sie arbeiten als freischaffender Künstler. Mit Ihrem Verein JOS e.V. haben Sie in Mülsen schon viel Kulturarbeit geleistet. Wie entstand das „Kultur macht stark“-Projekt „Gemeinsam Handeln“, was war der Grundgedanke?

Mandy Bachmann: „Gemeinsam Handeln“ entstand durch die Rückschau auf die letzten drei Jahre, die maßgeblich von der Pandemie geprägt waren. Wir haben viel Individualismus beobachtet und wollten durch unsere Arbeit mit jungen Menschen wieder zurück zum gemeinsamen Tun finden. Wir haben uns gefragt: Welche Projektform können wir wählen, um wieder in Kontakt zu kommen? Wie können wir aus der Isolation heraustreten?

Swen Kaatz: Im ersten gemeinsamen Schritt haben wir uns als Verein mit den anderen beiden Bündnispartnern, der Jakobus-Oberschule in Mülsen und dem Evangelischen Verein Mülsen als Antragsteller, zusammengeschlossen und die kreative Umsetzung des Projekts übernommen. Die Schule war in unserer Arbeit ein wichtiger Ort der Begegnung mit Kindern und Jugendlichen. Der evangelische Verein Mülsen hat uns vor allem organisatorisch unterstützt. Gefördert wurde unser Projekt vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Konkret haben Sie von Juni bis Oktober 2023 sechs Teilprojekte angeboten, können Sie uns diese kurz beschreiben?

Bachmann: Alle unsere Teilprojekte einte das Motto „Gemeinsam Handeln“, aber in unterschiedlichen Formaten und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Vom Tagesprojekt, über die Ferienwoche bis zum Dreimonatsprojekt. Jedes war unabhängig voneinander konzipiert, das heißt die Teilnehmenden konnten auch bei mehreren Projekten mitmachen. Es gab Projekte mit Fokus auf Handwerk, auf Naturerleben oder auf Zirkusarbeit.

Einige der Teilprojekte haben in einem Zirkusgarten stattgefunden. Mögen Sie uns die Projektarbeit hierzu etwas genauer schildern?

Bachmann: Von der Kirchengemeinde Mülsen haben wir einen Garten zur Verfügung gestellt bekommen. Hier fand auch unser zirkuspädagogisches Angebot statt. Dazu zählten zum Beispiel die Clownerie, die Jonglage und die Akrobatik. In unserer Arbeit ging es aber neben den artistischen Fähigkeiten auch darum, den Garten zu beleben und den Alltag im Zirkus zu zeigen. Wir haben eine Woche lang jeden Tag von 9 bis 17 Uhr dort miteinander gelebt und alles zusammen unternommen, was auch in einem echten Zirkus stattfinden würde. Insgesamt haben an unserem Wochenprojekt 30 Kinder im Alter von sieben bis 17 Jahren teilgenommen.

Kind beim Holz sägen
© Swen Kaatz

Kaatz: Wir haben zusammen überlegt: Was heißt es eigentlich, so ein Unternehmen wie einen Zirkus aufzubauen und zu führen? Welche Fähigkeiten werden gesucht? Welche Aufgaben fallen an? Vom Rasenmähen, über Kochen bis zur Aufführung. Oder auch: Wie ist die Tierhaltung im Zirkus? Wie läuft das Zusammenleben? All dies wurde sehr kontrovers besprochen und es entstand ein Gefühl, was alles zu solch einer Gemeinschaft dazugehört. Wir wollten vor allem mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommen und Lernen mit Erfahrungen verknüpfen.

Wie verlief die Abschlussrunde, die Sie gemeinsam organisiert haben?

Bachmann: Wir haben am letzten Wochentag in unserem Garten zu einer Abschlussrunde eingeladen, gemeinsam gekocht und gezeigt, was die Kinder erarbeitet hatten. Es wurden kleine Zirkusnummern aufgeführt und vor allem fanden viele Gespräche mit den Familien statt.

Kaatz: Wir konnten beobachten, dass die Themen in die Familien transportiert wurden. Vegetarismus oder Tierschutz zum Beispiel – die Kinder gingen mit neuen Impulsen nachhause. Für uns heißt das, dass wir mit kleinen Schritten etwas anstoßen können. Die gemeinsamen Erfahrungen und Erlebnisse sind mindestens genauso wichtig wie die künstlerische Show.

War es schwierig, die Kinder zum Mitmachen zu bewegen?

Kaatz: Überhaupt nicht. Unsere Teilnehmenden kamen größtenteils von unserem Bündnispartner, der Jakobus-Oberschule und die Gruppen waren bunt gemischt. Es haben Jungen und Mädchen aller Alterststufen an unseren Projekten mitgewirkt. Wir konnten viele Kinder und Jugendliche aus Mülsen abholen, die hier sonst nur ein eingeschränktes Bildungsangebot vorfinden. Viele können zum Beispiel auch in den Ferien nicht verreisen und in solch einem Projekt dennoch kulturelle Bildung erfahren.

Wie war Ihre Erfahrung mit einem solchen Projekt in einer eher ländlichen Gegend?

Bachmann: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Projektarbeit auf dem Land auch eine Chance sein kann. Wir kennen uns hier, es herrscht eine große Nähe und wir können schnell ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Wir sehen unsere Partnerschaft nicht nur auf das Bündnis begrenzt, sondern beziehen auch die Familien ein. Wir können auch Hilfen vermitteln, wenn wir sie für richtig und notwendig halten. Der Netzwerkgedanke wird hier einfach sehr stark gelebt. Für mich ist das ein Schatz. Aber es bedarf meist einer jahrelangen Vorarbeit und Pflege.

Welche Hürden gilt es gerade im ländlichen Raum zu meistern?

Kaatz: Unser Ort ist ein etwa 17 Kilometer langer Ort im Tal. Die meisten hier fahren mit dem Fahrrad hin und her und alles ist gut angeschlossen. Von daher ist das Thema Mobilität in unserem Fall kein Hindernis. Aber natürlich entstehen für weitreichendere Angebote wie Theater, Ausstellungen oder Konzertbesuche größere Distanzen. Alle sind dann auf den Bus angewiesen, gerade junge Menschen. Wir können also nur im kleinen Rahmen Dinge direkt hier vor Ort anbieten. Dabei ist die persönliche Begleitung in der Kulturarbeit ein wichtiger Aspekt, damit Kinder sich nicht selbst überlassen werden.

Bachmann: Mobilität ist ein Thema, das im ländlichen Raum eine größere Rolle spielen mag als in der Stadt. Im Gegenzug bietet die ländliche Umgebung viel Raum für Projekte, die die Verbundenheit von Mensch und Natur in den Vordergrund stellen. Kinder können eine Art der Einfachheit erleben, die für ihr ganzes Leben prägend sein kann. Letztlich geht es aber immer um die Kinder, die sonst durchs Netz fallen – egal ob in der Stadt oder auf dem Land.

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Das „Kultur macht stark“-Projekt „Gemeinsam Handeln“ in Mülsen stellte das Erleben von Gemeinschaft in den Vordergrund. Die Teilnehmenden konnten sich in unterschiedlichen Teilprojekten kreativ in der Gemeinschaft erproben, vom Handwerk bis hin zur Zirkusarbeit. Bündnispartner waren der JOS e.V., Die Jakobus Oberschule und der Evangelische Verein Mülsen, Förderer der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V.