Wie der Mammutzahn ins Kino kam
Wie entsteht eigentlich ein Buch? Und wie gelangt es in die Regale von Buchhandel und Bibliothek? In einem „LeseHelden“-Projekt in Obertraubling haben Mädchen und Jungen die Schritte vom Textentwurf bis zum fertigen Buch einmal selbst durchlaufen.
Stromausfall im Kino: Film aus, Notlicht aus, alles gerät durcheinander und Laura wird auch noch von einem Mammutzahn gepikst. Und dabei hatten sich Laura und Felix so auf ihren gemeinsamen Kinobesuch gefreut. Es geht abenteuerlich zu in der Geschichte, die sich die Mädchen und Jungen in einem „Kultur macht stark“-Projekt im oberpfälzischen Obertraubling ausgedacht haben. Im Januar und Februar 2020 fanden sich die Sieben- bis Achtjährigen immer am Montagnachmittag in der Gemeinde- und Pfarrbücherei Obertraubling ein, um herauszufinden, wie eigentlich ein Buch entsteht. Die Bücherei befindet sich auf dem Gelände der Hermann-Zierer-Grundschule Obertraubling, die weiterer Partner im Projekt der Initiative „Wir sind LeseHelden“ des Borromäusvereins e. V. ist. Helena Krause und Doris Kammermeier, die Leiterinnen der Bücherei, haben das Projekt begleitet. „Ausgehend von einem Sachbuch für Kinder über das Büchermachen, das Stück für Stück gezeigt und vorgelesen wurde, haben wir die einzelnen Nachmittage mit ganz unterschiedlichen Themen und Aktivitäten gefüllt“, berichtet Helena Krause. „Tatkräftig unterstützt wurden wir dabei von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, insbesondere von Lektorin und Geschichtsdozentin Dr. Heike Wolter. Sie hat das Projekt maßgeblich konzipiert.“
Von der Idee bis zum gebundenen Buch
Gleich zu Beginn des Projekts haben die Kinder mit Dr. Heike Wolter und Autorin Carola Kupfer Inhalte für ein eigenes Buch erarbeitet. „Die vielen kreativen Ideen in eine Geschichte zu bringen, war gar nicht so einfach“, erinnert sich Büchereileiterin Helena Krause. „Ein Mädchen wollte zum Beispiel unbedingt einen Mammutzahn in der Geschichte haben, das ist dann auch gelungen.“ Zu den Stationen in der Erzählung verfassten die Kinder einzelne Sätze. Dabei erfuhren sie, wie aus einem einfachen Fakt ein gut formulierter Satz wird und sich Spannung aufbauen lässt. An einem anderen Nachmittag war Buchhändlerin und Sozialpädagogin Daniela Dombrowsky zu Besuch. Sie inszenierte ein Rollenspiel, in dem sich die Mädchen und Jungen auf die Reise eines Buchs vom Schreibtisch einer Autorin oder eines Autors bis in den Buchhandel begaben. „Die Kinder sind richtig eingetaucht ins Geschäft: Einige spielten Verlage, andere den Großhändler oder die Buchhandlung. Auch ein Lieferant war dabei, was bei den Jungen besonders gut ankam“, erzählt Doris Kammermeier. Dass zu einem guten Buch auch eine ansprechende Gestaltung und natürlich Werbung gehört, war das Thema eines Nachmittags mit Buchhändlerin Sandra Böhm. Die Gruppe nahm Bücher der Bibliothek unter die Lupe und lernte dabei die verschiedenen Techniken der Buchbindung kennen. Auch schauten sich die Kinder Plakate von Verlagen an und gestalteten schließlich selbst ein Werbeplakat für ihr Buch vom turbulenten Kinobesuch.
Kinder und Eltern entdecken die Bibliothek
Beim Abschlussfest des Projekts wurde den Kindern und ihren Eltern das fertige Buch in gedruckter Form präsentiert. Es enthält neben der Geschichte viele Gemälde, die im Projekt entstanden sind. Auf den Bildern haben die Kinder in ihren Worten erklärt, warum das Lesen und die Bücherei „sooo toll“ sind. Neben dem Buch gab es auch Urkunden für die „LeseHeldinnen“ und „LeseHelden“, feierlich überreicht von Rudi Graß, dem Bürgermeister des Ortes. „In diesem Rahmen haben wir die Eltern noch einmal darauf hingewiesen, wie wichtig Vorlesen und Lesen in jedem Alter sind“, sagt Helena Krause. Ihre Kollegin Doris Kammermeier ergänzt: „Viele von ihnen wissen gar nicht, dass es die Bücherei gibt, und besuchen sie beim Abschlussfest zum ersten Mal.“ Und oft bleibt der Kontakt bestehen und die Familien kommen wieder.
Gemeinsam die Lust am Lesen wecken
Das Bündnis in Obertraubling hat in den vergangenen zwei Jahren schon mehrere „LeseHelden“-Projekte zu unterschiedlichsten Themen und für verschiedene Altersgruppen veranstaltet: So wurde etwa mit dem Orientexpress gereist oder das Leben der Bienen erforscht. „Das Tolle an den Projekten ist, dass die Kinder das Lesen in entspannter Atmosphäre entdecken. Wenn Bücher zu Hause kaum eine Rolle spielen, muss man mitunter Umwege gehen, um die Leselust zu wecken.“ Die gute Partnerschaft mit der Schule hilft dabei, betont Doris Kammermeier: „Das Lehrpersonal wirbt für unsere Projekte und spricht auch gezielt Eltern von Kindern an, die sich mit dem Lesen schwertun.“ Viel Unterstützung bei der Umsetzung erhält die Bücherei auch von Elisa Trinks vom Borromäusverein. Im Rahmen der Initiative „Wir sind LeseHelden“ gibt der Borromäusverein nicht nur hilfreiche Tipps und Anregungen, sondern stellt dem Projekt auch Kinder- und Jugendmedien zur Verfügung. Auch das ist ein großer Anreiz für die Kinder, die Bücherei nach Abschluss der „LeseHelden“-Projekte weiter aufzusuchen.