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Wenn die fahrende Bücherei zum Projektort wird

Der ländliche Raum bringt seine eigenen Herausforderungen für die Umsetzung von „Kultur macht stark“-Projekten mit sich. Kristin König ist Koordinatorin der Servicestelle „Kultur macht stark Schleswig-Holstein“ und spricht über ihre Erfahrungen.

Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Sie als Servicestelle in einer stark ländlich geprägten Region?

In Schleswig-Holstein leben 78 Prozent der Bevölkerung auf dem Land, bundesweit sind es nur 57 Prozent. Das macht sich auch bei meiner Arbeit in der Servicestelle bemerkbar: Eine große Sorge potenzieller Antragsteller im ländlichen Raum ist es, nicht genügend Teilnehmende aus der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen, die bislang keine kulturellen Bildungsangebote außerhalb der Schule nutzen, gewinnen zu können. Außerdem fürchten viele, dass der Aufwand für Antragstellung und Verwaltung des Projekts ihre Kapazitäten übersteigt. Denn wir haben sehr oft mit ehrenamtlich geführten Vereinen zu tun, die über beschränkte zeitliche und personelle Möglichkeiten verfügen.

Welche Tipps geben Sie in diesen Fällen?

Um die Zielgruppe ansprechen zu können, ist es hilfreich, sich beim Landkreis über die Sozialdaten zu informieren und so zu erfahren, wo es vielleicht einen besonderen Bedarf an neuen außerschulischen Bildungsangeboten gibt.

Außerdem empfehle ich, die speziellen Gegebenheiten des Sozialraums auf dem Land zu berücksichtigen. Der Bewegungsradius der Kinder und Jugendlichen dort ist häufig zwangsläufig recht groß, etwa weil sie zum Schulbesuch in die nächste Gemeinde fahren müssen. Es kann daher sinnvoll sein, das Angebot über Gemeindegrenzen hinweg zu erstrecken. Wie das aussehen kann, muss individuell mit dem Programmpartner besprochen werden, bei dem man einen Projektantrag stellen möchte. Wenn der Sozialraum über Gemeindegrenzen hinaus reicht, steigt auch die Anzahl potenzieller Bündnispartner, und damit die Möglichkeiten, sich Partner zu suchen, die über persönlichen Zugang zur Zielgruppe verfügen, etwa Jugendzentren oder Schulen.

Und das funktioniert?

Ja, wobei ein größerer Sozialraum auch bedeutet, dass die Mobilität der Kinder und Jugendlichen organisiert werden muss. Der öffentliche Nahverkehr ist im ländlichen Raum meist nicht sehr engmaschig ausgebaut, sodass unbedingt mitbedacht werden muss, wie die Teilnehmenden zum Projektort und wieder nach Hause kommen.

Wie kann das gelingen?

Es gibt gute Beispiele für individuelle Lösungen. So fördert der Deutsche Bibliotheksverband im Kreis Steinburg das Projekt „Geschichten entdecken in Buch und Spiel ­ – Gaming, Lesen und Videoerstellung zur Medienkompetenzvermittlung“. Eingebunden in das Projekt ist eine Fahrbücherei. Die versorgt den ländlichen Raum mit Medienangeboten – und ist jetzt gleichzeitig Veranstaltungsort für das Kinder- und Jugendprojekt.

Geben Sie auch inhaltliche Tipps für die Ausgestaltung der Projekte?

Ja, wichtig ist oft der Hinweis, dass bei der Entwicklung der Projektidee die Interessen der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt werden sollen. Die Jungen und Mädchen sollen in ihrer Lebenswelt abgeholt werden und auch ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen in die Projekte miteinbringen können. So kann man die Teilnehmenden für das Projekt gewinnen und sie über die gesamte Dauer des Projektes für dieses begeistern.

Was wäre ein gelungener Ansatz?

Beispielsweise ein Graffitiworkshop für Jugendliche mit einem Street Art Künstler als künstlerische Fachkraft. Das spricht die Jugendlichen direkt an und bietet ihnen die Möglichkeit, sich künstlerisch auszudrücken. Der Künstler vermittelt ihnen die nötigen Fertigkeiten. Zudem können die Kunstwerke im öffentlichen Raum präsentiert werden, was meist eine besondere Erfahrung für die Teilnehmenden ist. Nicht zu empfehlen und nicht im Sinne des Förderprogrammes sind Projekte, für die Vorwissen nötig ist. Die Angebote sollten immer niedrigschwellig sein.

Sie beraten auch zur Antragstellung und haben gemeinsam mit der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) einen speziellen Antragsworkshop durchgeführt. Wie kam es dazu?

Ich hatte festgestellt, dass sich Interessierte oft Unterstützung bei der Antragstellung wünschen. Und die BKJ, die mit dem Förderkonzept „Künste öffnen Welten“ (KöW) bei „Kultur macht stark“ vertreten ist, ist sehr engagiert dabei, die Anzahl der Bündnisse im ländlichen Raum zu steigern. So ist die Idee zum gemeinsamen Workshop entstanden. Im Workshop selbst hat die Programmleiterin von KöW, Kerstin Hübner, dann die besonderen Herausforderungen für Vereine und Einrichtungen im ländlichen Raum thematisiert und diesbezüglich Tipps gegeben. Die rund 20 Teilnehmenden konnten außerdem Fragen stellen und ihre Projektideen vorstellen. Das war ein wirklich gelungener Workshop.

Welches Vorgehen hat sich als hilfreich erwiesen, um Bündnispartner speziell in ländlichen Gebieten zusammenzubringen?

Ich rate dazu, bestehende Kontakte und Netzwerke zu nutzen. Einfach mal schauen: Mit wem habe ich als Verein schon früher gut zusammengearbeitet und könnte das jetzt vielleicht auch passen? Da sollte man nicht zu kompliziert denken, deshalb habe ich eine Auswahl mit 100 möglichen Bündnispartnern zusammengestellt. Natürlich kann man auch ungewöhnliche und ganz neue Kooperationen in Betracht ziehen: Wenn ich ein Skulpturenprojekt anbieten möchte, kann mein dritter Bündnispartner auch der Schrotthändler vor Ort sein. Und wenn es um Lebensmittel geht, suche ich mir vielleicht einen nahe gelegenen Apfelhof oder Bäcker.

Sie haben 2018 ein neues Format ins Leben gerufen, die digitale Infoveranstaltung. Wie funktioniert das und wie kommt es bisher an?

Wir suchten nach einem neuen Format zur Ergänzung der klassischen regionalen Informationsveranstaltungen. Ausschlaggebend waren die langen Fahrtwege in Schleswig-Holstein, die geringen Teilnehmerzahlen in dünnbesiedelten Regionen und die zeitliche Eingebundenheit der Zielgruppe in ihre haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Die digitalen Infoveranstaltungen finden online statt. Jeweils ein Programmpartner stellt ausführlich sein individuelles Förderkonzept vor und Fragen können direkt beantwortet werden. Wir verwenden hierfür ein Videokonferenz-Tool, das kein technisches Vorwissen erfordert: Den Zugangslink gibt es ganz einfach mit der Anmeldebestätigung zugeschickt. Die Resonanz ist durchweg positiv, was sich auch an den konstant guten Teilnehmerzahlen, nämlich 25 bis 30 Personen, ablesen lässt. In diesem Jahr haben wir bereits fünf digitale Infoveranstaltungen durchgeführt und ich plane alle zwei Monate eine weitere Veranstaltung dieser Art.

Kontakt

Kristin König
Koordinatorin der Servicestelle „Kultur macht stark Schleswig-Holstein“
Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Schleswig-Holstein e. V.
Raiffeisenstr. 4
24768 Rendsburg

Tel: 04331 492 700 13
E-Mail: koenig@lkj-sh.de
Web: kulturmachtstark-sh.de