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„Unser aller Ziel: Wachsen in der Krise“

Tänzerisch Gefühlen Ausdruck zu verleihen, tut Kindern und Jugendlich gut, wie das Projekt „Urban Movement“ in Essen zeigt. In Corona-Zeiten ist es dem Bündnis hinter dem Projekt gelungen, die Teilnehmenden auch zu Hause zu erreichen.

Von einem auf den anderen Tag hieß es im Frühjahr, das Tanztraining für mehr als 50 Kinder und Jugendliche in den virtuellen Raum zu verlegen. Der Tänzer und Choreograph Souhail Jalti, Gründer vom Verein B.E.K.I.N.D. e. V., dem federführenden Partner im Projekt „Urban Movement“, sah sich vor neue Herausforderungen gestellt: „Wir Bündnispartner haben uns abgestimmt und Aufgaben abgesprochen, wir haben die Honorarkräfte informiert und natürlich galt unser Hauptaugenmerk den Kindern und Jugendlichen.“ Der Verein „Lichtpunkt in der Welt“, der sich vor allem um syrische Familien kümmert, und die städtische Jugendhilfe Essen waren die weiteren Bündnispartner im Projekt. Der Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen e. V. förderte das Angebot, das Kinder und Jugendliche mit und ohne Fluchterfahrung zusammenbrachte. Souhail Jalti gab nicht nur künstlerischen Input, er hielt auch organisatorisch die Fäden zusammen.

Alle Beteiligten beisammenzuhalten, war während des Shutdowns im März eine große Herausforderung. „Zum Glück sind wir ein eingespieltes Team, das erleichtert einiges. Als wir realisierten, dass wir wochenlang auf den persönlichen Kontakt verzichten mussten, waren wir schockiert. Das war aber nur ein kurzer Moment und wir haben sofort überlegt, wie wir mit allen Beteiligten Kontakt halten können. Unser aller Ziel war, in der Krise zu wachsen“, beschreibt Jalti. Die 15- bis 18-Jährigen wurden über ihre Mobiltelefone kontaktiert. Bei den jüngeren Teilnehmenden haben die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Jugendhilfe Essen alle Eltern angerufen und mit den Familien abgestimmt, ob grundsätzlich eine digitale Ausstattung vorhanden und für die Kinder zugänglich war. „Wir mussten zum Beispiel herausfinden, ob bestimmte Apps heruntergeladen werden durften“, so Souhail Jalti.

„Komisch, so allein zu tanzen. Aber auch lustig!“

Nachdem das geklärt war, wurden digitale Angebote entwickelt, in denen die Kinder und Jugendlichen meist per App oder per Video mit Tipps für Bewegungen und Tanzschritte versorgt wurden. „Das war eine willkommene Abwechslung in der ersten Corona-Zeit. Da war die Langeweile zu Hause nicht mehr feierlich und ich war total froh, täglich tanzen und mich mit den anderen am Telefon unterhalten zu können“, erinnert sich Leonie (13). Der neunjährige Esil räumt ein, dass es ihm anfangs „komisch vorkam“, alleine zu tanzen und ein Video davon zu erstellen. „Aber dann war es irgendwie auch lustig“, meint er.

Motivation ist ein zentrales Stichwort für Souhail Jalti: „Wir haben festgestellt, dass es eine größere Herausforderung ist, die Jugendlichen virtuell zu motivieren als in den persönlichen Begegnungen. Wenn wir die Teilnehmenden nur per Video anleiten, verlangt das eine größere Disziplin von ihnen. Aber alle waren dankbar, dass sie beschäftigt wurden. Bei den Jüngeren war es besonders wichtig, ihnen etwas zum Auspowern anzubieten.“

Gruppenstunden per Videoschalte haben sich bewährt

Nach und nach haben sich die Gruppenstunden per Videoschalte eingespielt. Die Trainerinnen und Trainer tanzten vor und behielten dann den Bildschirm im Blick, wenn die Kinder und Jugendlichen die Schritte nachtanzten. Sie gaben Tipps und Hinweise zur Korrektur. „Das war gar nicht so einfach, aber machbar“, so Souhail Jalti. „Wir haben anfangs einzelne Grundschritte geprobt, schließlich konnten wir kleine Choreographien tanzen.“

Im Lauf der Zeit gewöhnten sich die Beteiligten daran, dass virtuelles Tanztraining eine andere Form der Kommunikation verlangt. Auch wenn vieles gut lief, war spürbar, dass sich nicht alles ersetzen lässt: „Beim persönlichen Treffen bekommt man mehr Zwischentöne mit, merkt, wie jemand drauf ist und kann individueller darauf eingehen“, sagt Souhail Jalti. „Im Tanzraum sind alle fokussierter. Auch uns Trainerinnen und Trainern fehlte ein Stück weit die Energie, die wir normalerweise von den Kindern und Jugendlichen zurückbekommen.“

Schritt in Richtung Gemeinschaft

Glücklicherweise wurden die Inhalte der Tanzperformances von den Teilnehmenden erarbeitet, als noch persönliche Zusammenkünfte möglich waren. Unter dem Oberthema „Neue Generation in der Großstadt“ hatten die unterschiedlichen Altersgruppen das, was sie bewegt, festgehalten: fehlender Platz zum Spielen, Einsamkeit in der Anonymität der Großstadt, gleichzeitig aber auch die Toleranz und die Diversität im urbanen Raum. Je nach seelischer Verfassung bietet die Großstadt unglaubliche viele spannende Erlebnisse oder schreckt ab in ihrer Unübersichtlichkeit. „Wir haben die Teilnehmenden dazu ermutigt, den eigenen Körper wahrzunehmen, und zeigten, wie man tänzerisch oder darstellerisch Gefühle, Stimmungen, Wünsche und Ängste ausdrückt“, erläutert der Tänzer Souheil Jalti.

Als es in Nordrhein-Westfalen erste Lockerungen der Kontaktbeschränkungen gab, ließ dies etwas mehr Spielraum für Zusammenkünfte. Die Jugendhilfe Essen ermöglichte einigen kleinen Gruppen, mit viel Abstand in einem Jugendzentrum zusammenzukommen. Zwar waren Trainer oder Trainerin nicht vor Ort, doch mit Hilfe eines Beamers konnten sich alle gut sehen – und wenigstens in Teilen wieder gemeinsam trainieren.

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Der Bundesverband Netzwerke von Migrant*innenorganisationen (NeMo) e.V. ist Programmpartner bei „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Unter dem Titel „InterKultur-MachtKunst – KunstMachtInterKultur“ initiiert der Verband interkulturelle Projekte in verschiedenen Kunstformen. Die Angebote richten sich an Sieben- bis Achtzehnjährige mit und ohne Migrationsgeschichte, die wenig Zugang zu kulturellen Bildungsangeboten haben.

Weitere Informationen erhalten Interessierte auf interkulturmachtkunst.de.