Mit Kreativität gegen die Mutlosigkeit
Zwei beeindruckende Kurzfilme sind dank der Förderung durch „Kultur macht stark plus“ entstanden. Die Filmworkshops „CultureFlash“ in Hannovers Stadtteil Linden haben jungen Geflüchteten Orientierung und Zuversicht vermittelt.
Marion Latzke, Geschäftsführerin beim Verein für interkulturelle Arbeit (ViA) in Linden e.V., spricht stellvertretend für alle Beteiligten, wenn sie zurückblickt: „Wir können stolz sein auf das, was wir damals geleistet haben.“ Wir, das sind neben ViA Linden der Verein „Interkulturelle Bildungsoffensive“ (IBO) sowie das Freizeitheim im Stadtteil Linden. Gemeinsam hat das Bündnis im Dezember 2016 und im Februar 2017 in Hannover ein Filmprojekt für junge Geflüchtete durchgeführt. Ermöglicht wurden die Filmworkshops durch eine Förderung im Rahmen von „Kultur macht stark plus“. 2016 bis 2018 weitete das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Programm „Kultur macht stark“ aus, um junge Geflüchtete auch über das 18. Lebensjahr hinaus bis zu einem Alter von 26 Jahren mit kulturellen Angeboten eine gute Möglichkeit zu geben, Land, Kultur und Sprache besser kennenzulernen – und die Erlebnisse der Flucht ein Stück weit aufzuarbeiten.
Die Teilnehmer des Hannoveraner Filmprojekts waren damals in Turnhallen untergebracht, hatten keine richtige Beschäftigung und Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Sie fühlten sich fremd in Deutschland, kamen mit der Sprache nicht zurecht und nahmen wahr, dass es neben einer Willkommenskultur auch gesellschaftliche Ablehnung gab. Den Bündnispartnern ist es gelungen, dieser Situation mit kreativer Energie in zwei Filmworkshops etwas entgegenzusetzen. Sie haben den jungen Menschen mit unterschiedlichen Fluchterfahrungen Mut gemacht, ihnen Zuversicht und auch Selbstbewusstsein mit auf den Weg gegeben.
Marion Latzke konnte für die beiden Filmworkshops auf ihre bestehenden Netzwerke zurückgreifen. Es gab sprachkundige Unterstützung durch einen Mitarbeiter, den Leiter des Projektes für Geflüchtete „Ankommen“, der aus Tunesien stammt und Arabisch spricht. Auch gab es ehrenamtlich mitwirkende Sprachmittler, die des kurdischen und syrischen Arabischs mächtig waren.
„Integration durch Sprachkompetenz“, lautete das Stichwort. „Das war damals der richtige Ansatz. Die jungen Geflüchteten lebten unter beengten Bedingungen in Gemeinschaftsunterkünften. Sie kamen aus Nordafrika, Syrien, dem Irak und Afghanistan“, schildert Marion Latzke. Ihre großen gemeinsamen Themen: das Ankommen in einem fremden Kulturkreis, die Schwierigkeiten, sich zu verständigen, und die große Sorge vor der Abschiebung. Von ihren Ängsten, ihrer Verzweiflung, aber auch ihren Hoffnungen erzählen zwei Kurzfilme, in denen sich inhaltlicher Tiefgang wie auch ästhetischer Anspruch zeigen.
Der erste Film mit dem Titel „Das Sprachrohr“ trägt autobiografische Züge und zeigt den verzweifelten Versuch eines jungen Geflüchteten, mit der Nachricht seiner drohenden Abschiebung umzugehen. Auch der zweite Kurzspielfilm „Kareems Brief“ thematisiert die Angst vor der Abschiebung und stellt das Gefühl des Fremd-Seins sowie die Sehnsucht nach einem würdevollen Leben in den Mittepunkt. Er wurde durch ein Musikvideo ergänzt. Während am ersten Film ausschließlich zwölf junge Männer beteiligt waren, war beim zweiten Filmprojekt neben 13 männlichen Teilnehmern auch eine junge Frau dabei. „Das hat übrigens prima geklappt, die Jungs haben sich in Punkto Fürsorge und Höflichkeit ihr gegenüber gegenseitig überboten“, erzählt Marion Latzke. Die Inhalte, das Drehbuch, die Musik und die Texte für den Sprechgesang des Musikvideos wurden gemeinsam mit den Teilnehmenden erarbeitet und umgesetzt.
Einerseits sei es heraufordernd gewesen, alle Fäden zusammenzuhalten, andererseits habe es viele beglückende Momente gegeben, berichtet Marion Latzke. Sie erinnert sich vor allem an gemeinsame Mahlzeiten mit den Filmteams: „Ich habe damals immer mittags gekocht. In der arabischen Kultur ist dieses Zusammensitzen am Tisch von großer Bedeutung und für unsere Teilnehmenden war das ein Highlight ihres Tages, wie ein Anker in diesen schwierigen Zeiten.“ Obgleich die Chancen auf eine Bleibeperspektive für die meisten Teilnehmenden gering waren, haben einige der jungen Männer inzwischen ihren Weg gemacht. Einer aus der Filmcrew arbeitet als Altenpfleger, ein anderer studiert Medizintechnik und einige haben durch das Filmprojekt ihr schauspielerisches Talent entdeckt. Bei einem Crewmitglied ist die Schauspielerei sogar zu einer beruflichen Perspektive geworden, der junge Mann ist an einer Münchner Bühne engagiert worden.