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Heimat in Szene gesetzt

Im Theaterprojekt „Regionale Fußnoten“ haben sich 11- bis 13-Jährige auf eine künstlerische Spurensuche in ihrer Heimat, der Insel Rügen, begeben. Ihre Eindrücke verarbeiten sie in Szenen, die sie selbst auf der Bühne spielen. 

Steilküste und Sandstrand, Wälder und Villen: Die Insel Rügen ist mehr als eine Urlaubsregion. Sie ist auch Heimat für die Menschen, die dort aufwachsen. Doch wie sehen und erleben Kinder und Jugendliche ihre Insel? Dieser Frage geht das vom Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V. geförderte Theaterprojekt „Regionale Fußnoten“ im Ostseebad Sellin nach. Seit Sommer 2018 setzen sich darin 11- bis 13-Jährige künstlerisch mit ihrer Heimat auseinander. Ursprünglich hatte das Bündnis aus dem Stralsunder STiC-er Theater e. V., der CJD Christophorusschule Rügen und dem Landesverband Spiel und Theater MV e. V. ein Projekt für rund 15 Teilnehmende geplant. Doch der Andrang war groß und die Gruppe wuchs auf heute 23 Mädchen und Jungen an. „Es gibt auf Rügen wenige Kulturangebote außerhalb der Schule und wir wollten keinen wegschicken“, sagt Projektleiter Axel Zühlsdorff. Für viele der Kinder gehört das Theater nicht zur Lebenswelt, zum einen wegen der fehlenden Angebote auf der Insel, zum anderen können sich einige der Familien Theaterbesuche kaum leisten.

Axel Zühlsdorff ist Gymnasiallehrer für Deutsch, Geschichte und Darstellendes Spiel und hat das STiC-er Theater 1985 als Theaterclub für junge Menschen gegründet. Seit vielen Jahren setzt sich der STiC-er Theater e. V. gemeinsam mit weiteren lokalen Akteuren für mehr kulturelle Bildungsangebote im gesamten Landkreis Vorpommern-Rügen ein. Darüber kam auch der Kontakt mit der Selliner Christophorusschule Rügen zustande.

Geschichte(n) auf der Spur

Die künstlerisch-pädagogische Betreuung im Projekt haben Carolin Gierer, Mary Greer und Jakob Fasold inne. Das junge Team bringt Erfahrung auf der Bühne sowie in der theaterpädagogischen Arbeit mit. Unter Anleitung der Fachkräfte ist die Gruppe über die vergangenen Monate gut zusammengewachsen. An mehreren Workshoptagen lernten sich die Mädchen und Jungen zunächst bei spielerischen Übungen kennen und tasteten sich an das Schauspielern heran. Außerdem stand intensive Feldforschung auf dem Programm: Die Kinder machten sich auf die Suche nach Geschichten aus der Region, interviewten ihre Eltern und Großeltern, befragten Menschen auf der Straße. Aus den gesammelten Begebenheiten entwickeln sie nach und nach durch Improvisieren szenische Texte. „Anfangs haben die Kinder die Geschichten eins zu eins nachgestellt, jetzt beginnen sie, diese auch künstlerisch zu verarbeiten“, berichtet Axel Zühlsdorff, der dem Projektteam als Ehrenamtlicher beratend zur Seite steht.

In den Workshops zu Beginn ging es auch darum, den Kindern Wissen über die Geschichte ihrer Heimat zu vermitteln, indem sie sich mit Sagen und Märchen von der Insel beschäftigten. Im Laufe des Projekts, berichtet Zühlsdorff, wurde es für die Teilnehmenden immer wichtiger, sich auch mit Fragen der Gegenwart zu befassen: wie dem sich ausbreitenden Tourismus, der Einsamkeit außerhalb der Urlaubssaison, der mangelnden Infrastruktur und ökologischen Herausforderungen. Auch Generationenkonflikte, zum Beispiel, ob und wie Kinder den öffentlichen Raum für sich nutzen dürfen, bewegen die Mädchen und Jungen.

Am durch Kultur macht stark geförderten Programm Teilnehmende
© STiC-er Theater e. V.

Lust auf mehr Theater

Während manche der Teilnehmenden in Sellin leben, kommen andere aus den Dörfern der Umgebung, einige sogar aus den weiter entfernt liegenden Orten Putbus und Bergen zu den wöchentlichen Proben. Für das Projektteam ist es eine Herausforderung, sicherzustellen, dass die Kinder danach mit dem Bus oder dank engagierter Eltern nach Hause gelangen. Letzteres ist zugleich eine Chance, die Familien in das Projekt einzubeziehen. Wie Anfang März, als viele der Kinder auf eigenen Wunsch mit ihren Eltern ins STiC-er Theater nach Stralsund kamen, um sich eine Inszenierung ihres Betreuerteams anzuschauen. „Die Kinder zeigen nicht nur ein verstärktes Interesse, Theater zu spielen, sondern auch, es zu rezipieren“, freut sich Zühlsdorff. Eine Flamme, die das Bündnis nähren möchte. Im Mai und Juni wird die Gruppe einige ihrer Szenen unter dem Titel „Spot an – für die Insel Rügen“ an der Selliner Schule und bei Kinder- und Jugendtheatertreffen in Putbus und Stralsund präsentieren. Nach den Sommerferien geht das Projekt in die Verlängerung: Die erarbeiteten Fragmente werden ein Jahr lang zu einer kompletten Inszenierung ausgebaut, auch dieser Wunsch kam von den Teilnehmenden selbst.

Zühlsdorff hofft, dass die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Heimat auch eine nachhaltige Wirkung hat: „Wir möchten ihnen Wurzeln geben, aber sie auch ermutigen, das Leben außerhalb der Insel kennenzulernen. Vielleicht, das wünschen wir uns sehr, kehren sie später nach Ausbildung oder Studium mit neuen Impulsen für die Region zurück.“ 

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Der Bundesverband Freie Darstellende Künste e. V. (BFDK) ist langjähriger Programmpartner bei „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“. Mit „tanz + theater machen stark“ fördert der BFDK Tanz- und Theaterprojekte, die Kinder und Jugendliche zu Kreativität und Eigeninitiative, zur künstlerischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen sowie zum Ausprobieren verschiedener Ausdrucksformen der Darstellenden Kunst anregen möchten. Die Angebote richten sich an 3- bis 18-Jährige mit erschwertem Zugang zu Kultur- und Bildungsangeboten und werden von lokalen Bündnissen bestehend aus mindestens drei Partnern umgesetzt. Kern eines jeden Bündnisses bei „tanz + theater machen stark“ ist eine Fachpartnerschaft zwischen einem Theater und einer pädagogischen Einrichtung.

Nähere Informationen gibt es auf der Website des Bundesverbandes Freie Darstellende Künste e. V.