Fröhlicher Sprach-Musik-Zirkus-Mix
Spot an für die „Sprachakrobaten“: Der Hamburger Verein Circusschule Rotznasen kombiniert Bewegung, Sprache und Musik. So bieten sich in der Manege neben kleinen Mutproben auch neue kommunikative Chancen.
Das künstlerische Potenzial der Zirkuspädagogik ist enorm. Zirkus bietet Kindern und Jugendlichen einen geschützten Raum, um Mut, Fantasie, Kreativität und körperliche Geschicklichkeit zu erfahren. Dass unter dem Zirkuszelt auch der Freiraum entsteht zu reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist, zeigt das Hamburger Bildungsbündnis zwischen dem Haus der Familie, der Grundschule Thadenstraße und der Circusschule Die Rotznasen im Projekt „Sprachakrobaten“.
Das gemeinsame Ziel ist, vielfältige Lernerfahrungen schwerpunktmäßig für Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren langfristig zu etablieren. Die Teilnehmenden sind Kinder aus den nah beieinanderliegenden Stadteilen St. Pauli, Sternschanze und Altona-Altstadt. „Viele der Kinder haben einen sehr begrenzten Wortschatz, kommen mit der Grammatik nicht klar und verstehen nicht alles. Sie kommen teilweise aus Familien mit Migrationshintergrund, in denen die Eltern kaum Deutsch sprechen, oder aus Elternhäusern, in denen kaum vorgelesen wird“, beschreibt Arne Schulz von der Zirkusschule. Fehlende sprachliche Kenntnisse schränken die Kinder ein, nicht nur in der Schule, auch im Miteinander.
Circensisches Repertoire wird erweitert
Zirkus fördert spielerisch die Konzentration, fordert Rücksichtnahme und Teamarbeit und stärkt das Selbstbewusstsein. Die Zirkuspädagogik setzt auf Spaß, vermittelt Fähigkeiten mit einer Leichtigkeit, die Raum lässt für Spontanität und Improvisation. Im fröhlichen Umfeld steigt die Motivation, Neues auszuprobieren und sich etwas anzueignen. Die Kinder lernen nicht nur beim Jonglieren, Seillaufen, Akrobatik, Ein- und Hochradfahren ihre Grenzen und Ängste zu erkennen und zu überwinden. Die „Sprachakrobaten“ erweiterten das circensische Repertoire um Spiel- und Theaterimprovisation, verzahnten die Sprech- mit den artistischen Übungen.
Die ins Projekt eingebundene Logopädin Corinna Lutze war es, die den Begriff „Sprachakrobatik“ einbrachte. Er sollte den Kindern mit sprachlichen Schwierigkeiten vermitteln, dass die Sprechübungen genauso wertvoll und lustig sein können wie die artistischen Übungen. „Frei nach dem Motto: Wir sind doch alle Akrobaten. Die Kinder sollten nicht den Stempel des Defizits aufgedrückt bekommen“, beschreibt Arne Schulz einen wichtigen Kerngedanken des Projekts.
Minigedichte aus elf Wörtern
Die zweite Logopädin Anna-Maria Grimsehl ist staatlich geprüfte Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin. Sie brachte ihre Erfahrungen aus der musikpädagogischen Früherziehung ein. Neben klassischen Wortübungen näherten sich die Kinder der Welt der Wörter auch über Musik und Rhythmus. Singen gehörte dazu, auch kleine Verse und Sprachspiele, etwa wenn die Grundschulkinder sogenannte „Elfchen“, Kurzgedichte aus elf Wörtern, verfassten. Das sah zum Beispiel so aus:
Coronablues
Dieses Virus
Nervt ganz gemein.
Lass das doch sein.
Fein!
In diesem Jahr hatten die „Sprachakrobaten“ eigentlich vor, noch weiter mit Sprache zu experimentieren. „Wir möchten die Elemente Rhythmus und Musik vertiefen, aber das Coronavirus hat uns zunächst einen Strich durch die Rechnung gemacht“, berichtet Arne Schulz. Geplant war, die Idee eines Zirkusorchesters zu realisieren – auch im Sinne eines nachhaltigen Engagements und unter noch besserer Einbeziehung der Eltern. Denn neben Neulingen im Projekt gibt es auch „alte Hasen“, die zum dritten oder vierten Mal mitmachen und auf der Suche nach neuen Herausforderungen sind. Arne Schulz verspricht sich von der Erweiterung des artistischen Angebots um die musikalischen Facetten einen intensiveren Kontakt auch zu den Eltern, etwa wenn es um die Beschaffung von Instrumenten geht. „Teilweise sind Eltern in der Organisation und bei Aufführungen bereits als ehrenamtliche Helfer tätig“, schildert er. „Erste Kontakte sind also da, diese würden wir gerne verstärken.“