„Bündnisarbeit ist Beziehungsarbeit“
Kerstin Hübner von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) ist Mitautorin der Arbeitshilfe „Bündnisse und Kooperationen für Kulturelle Bildung“. Im Interview gibt sie Tipps für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Frau Hübner, Sie haben sich in Ihrer langjährigen Arbeit für „Künste öffnen Welten“ bei der BKJ intensiv mit Kooperationen in der kulturellen Bildung beschäftigt – was macht dieses Thema so spannend?
Wir brauchen Kooperationen, um Brücken zwischen den verschiedenen Welten zu schlagen, in denen kulturelle Bildung stattfindet, zum Beispiel zwischen Schule und Freizeit. In der Zusammenarbeit befruchten sich die jeweiligen Ansätze unterschiedlicher Akteure und können im besten Fall auch mehr Kinder und Jugendliche erreichen. Kooperationen sind aber auch im wörtlichen Sinne „spannend“. Wenn verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenkommen, bleiben Spannungen nicht aus. Unsere Arbeitshilfe setzt genau da an: Wir möchten Wege für eine gute Zusammenarbeit aufzeigen. In das Miteinander zu investieren, ist gerade auch zu Beginn einer Kooperation wichtig. Daher wendet sich unsere Publikation insbesondere an Einrichtungen, die noch wenig Erfahrung mit Kooperationen haben.
Die Zusammenarbeit in Bündnissen ist auch ein zentraler Aspekt des Förderprogramms „Kultur macht stark“. Was spricht aus Ihrer Sicht für diesen Ansatz?
Den Weg, über Kooperationen zu gehen, finden wir richtig – ebenso, dass sich das Programm explizit an Kinder und Jugendliche wendet, die bisher kaum Zugang zu kulturellen Bildungsangeboten haben. Das hat neue Perspektiven in der Praxis eröffnet: nämlich genau zu schauen, wer muss eigentlich mit wem zusammenarbeiten, damit diese Zielgruppe erreicht wird. In bisherigen Kooperationen ist es nicht immer gelungen, Partner zu gewinnen, die Erfahrung speziell in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen haben, die in Risikolagen aufwachsen. Oftmals waren Kooperationen sehr schulisch geprägt oder es haben sich darin sehr ähnliche Einrichtungen zusammengeschlossen. Wenn jetzt aber zum Beispiel ein Blasmusikverein mit einem Jugendclub zusammenarbeitet, auch sein Repertoire und Angebot ein Stück öffnet, erreicht er plötzlich ganz andere Kinder und Jugendliche.
Welche Arten von Kooperationen begegnen Ihnen in der Praxis von „Kultur macht stark“? Welche haben sich bewährt?
In der ersten Förderphase hatten wir unsere Bündnisse dazu verpflichtet, dass darin je eine Kultureinrichtung mit einem Sozialraumpartner und einer Schule oder Kita kooperiert. Das haben wir für die zweite Förderphase gelockert, wir schauen stärker auf die Ziele der Projekte und ob die Partner dazu passen. Eine Schule muss nicht eingebunden werden, wenn es einen geeigneteren Partner gibt, das kann auch ein Kinderheim oder die Freiwillige Feuerwehr sein. Um die für mich passende Kooperation zu finden, muss ich mich fragen: Wen brauche ich, um Kinder und Jugendliche in Risikolagen zu erreichen? Wer kennt sich in deren Lebens- und sozialem Umfeld aus? Und wen brauche ich, um das Projekt fachlich umzusetzen? Eine andere Frage ist: Setze ich auf vertraute Partner im Netzwerk oder wage ich Neues? Wir glauben, beides ist sinnvoll und ermuntern dazu, auch ungewohnte Konstellationen einzugehen, wenn es der Umsetzung des Projekts dient.
Welche Tipps haben Sie für die Suche nach Bündnispartnern?
Wir empfehlen, nicht mit einem fertigen Konzept auf mögliche Partner zuzukommen, sondern mit einer ersten Idee, die dann gemeinsam weiterentwickelt werden kann. Bei der Suche sollte man nicht nur klären, ob ein Partner inhaltlich passt, sondern ob auch die Motivation ähnlich ist und jeder die nötigen Ressourcen einbringen kann. Wer das frühzeitig klärt, spart sich später viel Zeit und Ärger. Meist kennen die Antragsteller die Strukturen vor Ort. Wenn nicht, können zum Beispiel lokale Beratungsstellen weiterhelfen.
Was fördert die Zusammenarbeit im Bündnis und was sind mögliche Stolpersteine?
Bündnisarbeit ist Beziehungsarbeit. Das funktioniert ein bisschen wie in einer Paarbeziehung: Ich muss meinen Partner erst kennenlernen, verstehen, wie er tickt, und ihn dann auch anerkennen. Dazu braucht es persönliche Treffen, und zwar nicht nur am Anfang, sondern kontinuierlich – und auch jenseits der Arbeitsebene. Wichtig ist auch, Erfolge zu teilen und offen gegenüber neuen Entwicklungen und Herausforderungen zu bleiben. Aufgaben sollten klar verteilt und natürlich auch erfüllt werden. Verlässlichkeit und Vertrauen gehen Hand in Hand. Nicht einfach, aber enorm hilfreich für einen Lernprozess ist es, auch mögliche Unzufriedenheit oder enttäuschte Erwartungen transparent zu machen.
Wie können Kooperationen auch über eine Projektförderung hinaus Bestand haben?
Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten sich Bündnisse damit auseinandersetzen, wie es nach dem Projekt weitergeht. Wollen sie weiterhin gemeinsam konkrete Aktivitäten umsetzen, stellt sich die Frage, wie sie an die nötigen Ressourcen kommen. Möglicherweise können sie ein Projekt aus Eigenmitteln stemmen. Manche unserer Bündnisse haben sich auch erfolgreich neue Finanzierungen vor Ort, etwa über die Kommune, erschlossen. Ist der Entschluss gefasst, langfristig zu kooperieren, bleibt natürlich auch die Beziehungsarbeit weiterhin wichtig.