„Auch das Unperfekte kann sehr schön sein“
Im Projekt „Steine.Machen.Schmuck“ entdecken Jugendliche aus der Schmuckstadt Idar-Oberstein jahrhundertealte Traditionen neu. Angeleitet werden sie von Vanessa Zöller, 27. Sie studiert im Master „Gemstone und Jewellery“ an der Hochschule Trier.
Frau Zöller, wie kam es zu dem Projekt „Steine.Machen.Schmuck“?
Initiiert wurde das Projekt von der Jugendkunstschule im Nationalpark-Landkreis Birkenfeld e. V. Ich habe 2016 den Förderverein der Jugendkunstschule mitbegründet und bin seither neben meinem Studium am Idar-Obersteiner Campus der Hochschule Trier dort als Kursleiterin tätig. Die meisten Kurse finden in den Ferien oder am Wochenende statt. Eines Tages entstand die Idee, ein längeres Projekt anzubieten und damit vor allem Jugendliche anzusprechen, die sonst nicht an künstlerisch-kreativen Kursen teilnehmen. Also haben wir ein Jahreskonzept für einen Schmuckworkshop für 14- bis 16-Jährige entwickelt. Als Partner konnten wir die Ida-Purper-Schule und die Hochschule Trier gewinnen. Als es mit der Förderung geklappt hat, haben wir intensiv für das Projekt geworben, zum Beispiel mit Veranstaltungen an Schulen.
Auf welche Resonanz sind Sie dabei gestoßen?
Die Jugendlichen für ein längerfristiges Projekt außerhalb der Schule zu gewinnen, war schon eine Herausforderung. Ebenso sie für Steine und Kunsthandwerk zu begeistern, da beides in der Weltschmuckstadt Idar-Oberstein sehr präsent und eher gewöhnlich ist. Aber genau darum ging es uns auch: Neue Perspektiven, auch beruflicher Art, aufzuzeigen. Nach einigen Schnupperwochen ab August mit wechselnden Teilnehmenden ist nun ein fester Kern motiviert dabeigeblieben.
Leiten Sie die Kurse allein?
Ich bin bei jedem Treffen dabei, aber für die einzelnen Themeneinheiten, in die wir das Kursjahr gegliedert haben, kommt eine Fachkraft dazu. Wir bearbeiten nach und nach verschiedene Materialien. Ich habe den Block organische Materialien, wie Knochen und Holz, geleitet. Beim Thema Steine hat uns zum Beispiel ein Edelsteinschleifermeister begleitet, jetzt bei der Metallbearbeitung ist eine Goldschmiedin dabei.
Finden die Kurse immer am selben Ort statt?
Meistens treffen wir uns in der Realschule, nach einem gemeinsamen kleinen Snack arbeiten wir im Werkraum. Je nach Thema haben wir aber auch schon in der benachbarten Berufsschule an der Steinschleife gearbeitet oder in der Werkstatt der Hochschule.
Die Jugendlichen dürfen also auch an den Maschinen arbeiten?
Na klar, sie sind ja alt genug. Natürlich bekommen sie vorher eine Einweisung oder werden beaufsichtigt. Aber die Arbeit mit den Maschinen ist auch ein besonderer Anreiz für sie. Ebenso wie die Exkursionen, die Teil des Workshops sind.
Wohin haben Sie zum Beispiel Exkursionen unternommen?
Wir waren in den Edelsteinminen, im Edelsteinmuseum – dort haben die Jugendlichen zum Beispiel Ausstellungsobjekte abgezeichnet – und in einer historischen Kettenfabrik. Und nicht zuletzt auf der Intergem, der Fachmesse für Edelsteine und Schmuck. Das war ein echtes Highlight, da kommt man als privater Besucher sonst nicht hin.
Was erwartet die Teilnehmenden noch in den kommenden Wochen?
Die einzelnen Objekte, die sie aus den verschiedenen Materialien angefertigt haben, setzen wir nun zu Schmuckstücken zusammen – zum Beispiel wird ein geschliffener Stein mit Kupferblech eingefasst. Danach geht’s ans Kuratieren einer Ausstellung, die im Juni in der Stadtbücherei gezeigt wird. Zum Abschluss erhalten alle eine Werkmappe mit professionellen Fotos der Arbeiten, die vielleicht auch für eine spätere Bewerbung interessant sein kann.
Welche vorläufige Bilanz ziehen Sie aus dem Projekt?
Wichtig war im Rückblick die klare Gliederung in Themeneinheiten: Immer wieder etwas Neues zu beginnen, hilft, das ganze Jahr über dranzubleiben. Gut war auch, dass ich als Bezugsperson immer dabei war. Im Laufe des Projekts haben die Jugendlichen einen richtigen Draht zu mir, aber auch zueinander entwickelt. Und ihre kreativen Ideen haben mich immer wieder überrascht. Gleichzeitig hat jede und jeder von ihnen einen ganz eigenen Stil entwickelt. Das gemeinsame Arbeiten macht Spaß und inspiriert mich: Als Profi treibt man alles zur Perfektion, doch auch das Unperfekte kann sehr schön sein.